Sprechstunden als Teil der Lehrtätigkeit

Gespräche zwischen Beratung und Betreuung

Anlässe zur Beratung entstehen in Studium und Lehre häufig bezogen auf die Lehrveranstaltung. Beispielsweise, wenn Referate und Hausarbeiten vor- oder nachbesprochen und Abschlussarbeiten begleitet werden. Sprechstunden können entsprechend eine punktuelle Beratung als auch eine längerfristige Begleitung und Betreuung beinhalten.

Beratung außerhalb und innerhalb der Hochschule

Beratung an Hochschulen unterscheidet sich grundlegend von einer klassischen Beratung, wie sie etwa im psychologischen Bereich oder im Coaching in der Industrie vorkommt.

1. Beratung außerhalb der Hochschule

Außerhalb der Hochschule nehmen Beratende eine neutrale Haltung ein.

Sie unterstützten Klient*innen und Kund*innen durch Prozessbegleitung und Fragen, durch die selbstständig Lösungen und Entscheidungen entwickelt werden können. Weiter arbeitet Beratung mit dem Prinzip der Freiwilligkeit. Ratsuchende kommen aus eigenem Antrieb, weil sie Probleme lösen und Ziele erreichen wollen oder Klärungshilfe und Unterstützung suchen.

2. Beratung innerhalb der Hochschule

Beraten an Hochschulen wird durch unterschiedliche Rahmenbedingungen geprägt.

Hierarchien zwischen Lehrenden und Studierenden, Prüfungssituationen, Notengebung, fachlichem Wissen und Lernzielen. Vieles hiervon wird durch Lehrende in die Beratung als fachlicher Input in die Beratung eingebunden. Es kann von einer Fach- und Expert*innenberatung gesprochen werden, die der didaktischen Aufgabe des Vermittelns und Erklärens nahe ist. Dennoch können Ansätze und Methoden aus der klassischen Beratung auch für die Arbeit mit Studierenden hilfreich sein.

3. Spagat zwischen Fach- und Expert*innenberatung sowie Prozessberatung

Studierende brauchen einerseits Informationen und Anleitung, wenn sie noch im Arbeitsprozess verhaftet sind. Andererseits sollen sie befähigt werden, selbst auf Lösungen zu kommen.

Im Kontext der Hochschule unterscheiden Thomann/Pawelleck (2013, S. 32 f.) Beraten als punktuelle, einmalige Situation und Begleiten als längerfristige Betreuung, etwa bei Abschlussarbeiten. Sie verstehen Begleitung auch als zurückhaltende Führung mit integriertem Beratungsanteil. Begleitung und Betreuung zeichnet im Gegensatz zur Beratung aus:

  • Begleitung und Betreuung findet üblicherweise über einen längeren Zeitraum statt, während eine Beratung auch einmalig sein kann.
  • Begleitung und Betreuung kann auch in einer Gruppe stattfinden, etwa durch Veranstaltungen wie Kolloquien während des Forschungsprozesses, während Beratung üblicherweise den Lehrenden und einen Studierenden umfasst.
  • Begleitung und Betreuung kann auch Leitung, Anleitung und Kontrolle beinhalten, während Beratung eher dialogisch ist, im Sinne einer Face-to-Face-Orientierung.

Strategien zur Gesprächsführung und Beratung

Gesprächsführungsstrategien und Interventionen aus verschiedenen Beratungs- und Kommunikationsansätzen sind die Basis für gelungene Sprechstundengespräche.

In folgenden Arbeitsblättern werden Modelle vorgestellt, die sich für die Beratung und Betreuung bewährt haben.

Informationen vermitteln oder Anleitung bieten

In Sprechstunden kann es neben der Beratung und Betreuung auch um die Vermittlung von Informationen oder um Anleitung gehen. Dies entspricht der sogenannten Fachberatung, wobei die Gesprächsstrategien aus der Prozessberatung, wie das Fragen helfen können, Studierende zu befähigen, Erkenntnisse selbst zu generieren und Ziele zu erreichen.

Achtung: Prinzip der Freiwilligkeit in der Beratung

Es bleibt immer zu beachten, dass das Prinzip der Freiwilligkeit in der Beratung nicht immer gegeben ist, wenn etwa die Vorbesprechung des Referats Teil des Leistungsnachweises ist.

Beratungen an Hochschulen sind immer asymmetrisch und hierarchisch und damit anfällig für Unklarheiten, Missverständnisse und Widerstand. Ein Coach behandelt ein Anliegen neutral. Als Lehrender geht es in der Beratung auch um kritisches Feedback, fachliche Bewertungen und schlussendlich Noten. In beiden Settings ist die Haltung der zu Beratenden entscheidend, welche Impulse sie aufnehmen und umsetzen

Kontraktmanagement bei längeren Beratungsprozessen

Bei längerfristigen Beratungsprozessen z. B. der Betreuung von Bachelor- und Masterarbeiten gilt es zu Beginn eine Lern- und Arbeitsvereinbarung zu treffen. So können Ziele, Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten, Rollen und Erwartungen transparent gemacht und abgeglichen werden. Der Vorgang wird Kontraktmanagement genannt.

Kordts-Freudinger/Gleithner (2012) schlagen dazu einen Fragebogen vor, der die Betreuung von Abschlussarbeiten mit Elementen aus dem Projektmanagement verbindet. Er wird vorab jeweils von beiden Seiten ausgefüllt und dann abgeglichen. So kann über Verantwortlichkeiten und Aufgaben gesprochen und eine Betreuungsvereinbarung geschlossen werden. Diese wird häufig auch schriftlich als Protokoll dokumentiert und kann gegebenenfalls herangezogen, wenn Schwierigkeiten auftauchen.

Rolle von Lehrenden in der Beratung

Lehrende sollten zunächst klären, welches Rollenset angemessen und machbar ist. Außerdem sollten Sie sich darüber bewusst sein, dass Rollenerwartungen an sie herangetragen werden. So erwarten Studierende manchmal, passgenaue Antworten und Hinweise zu erhalten, während Lehrende sich als Begleiter*innen verstehen, die nicht mehr alles „vorbeten“.

Mögliche Rollenkonflikte

Die unterschiedlichen Rollen und Erwartungen führen in der Beratung zu unterschiedlichen Prozessen, die auch Rollenkonflikte beinhalten können. So stehen wissenschaftliche Mitarbeiter*innen häufig in einer „Sandwich-Position zwischen den Anliegen der Studierenden und Zielen sowie Vorgaben der Vorgesetzten. Nicht immer können sie ihrem eigenen Profil folgen und müssen Besonderheiten des Lehrstuhls oder der Vorgesetzten berücksichtigen. Diese können sogar konträr zur eigenen Haltung bezüglich Lernen, Beratung und Betreuung stehen. Sie befinden sich dann in einem intrapersonellen Konflikt.

Rollen von Lehrenden

Thomann/Pawelleck (2013, S. 30 f.) beschreiben u. a. folgende Rollen, die Lehrende inne haben können. Aus ihnen wählen Lehrende dann ein passendes Set an Rollen aus:

  • Inhaltsexpert*in sein
  • Gestalter*innen von Lehr- und Lernsituationen
  • Forscher*in
  • Führungskraft
  • Berater*in
  • Begleiter*in
  • Beurteilende*r
  • Vertreter*in von Staat und Gesellschaft

Lehrende ergänzen darüber hinaus je nach Situation noch folgende Rollen, die teils ungern eingenommen werden:

  • Seelsorger*in oder Tröster*in
  • Erzieher*in
  • Motivator*in
  • Forschungskolleg*in
  • Mentor*in
  • Feedbackgeber*in
  • Projektmanager*in oder Controller*in
  • Prüfer*in
  • Problemlöser*in
  • Vermittler*in zu anderen Angeboten und Ansprechpartner*in

Was kann davon geleistet werden?

Es stellt sich die Frage, welche Rollen akzeptabel sind und was leistbar erscheint. Wer beispielsweise 25 Abschlussarbeiten zu betreuen hat, wird anders organisieren, als Lehrende mit dreien. Zudem kann die Betreuungsintensität vom Umfang der Arbeiten aufgrund der hervorragenden oder mangelnden Vorkenntnisse der Studierenden beeinflusst werden.

Finden einer eigenen Rolle

Da Beratung in Hochschulen mit so vielen Rollen verbunden sein kann, ist es wichtig ein eigenes Profil bei der Abwicklung von Beratung zu entwickeln und dies immer wieder transparent zu machen und zu reflektieren. So divers die Studierendenschaft ist, so divers ist auch das Selbstverständnis der Lehrenden innerhalb der Fachbereiche.

Hierauf müssen sich Studierende immer wieder einstellen, da sie sehr unterschiedliche Lehr- und Betreuungshaltungen erleben. Von eher distanz-fachbezogenen bis nahbaren Lehrenden, die sich mehr als Mentor_innen verstehen und Interesse an Gesamtsituation den Studierenden zeigen.

Hierarchie- und Machtverhältnisse

Dabei gilt es immer auch die Hierarchie- und Machtverhältnisse zu beachten. Beratung findet hier nicht im neutralen Raum statt. Studierende werden eben auch bewertet und geprüft und befinden sich, ähnlich wie wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, häufig in Abhängigkeitsverhältnissen, die den Beratungsprozess und die Offenheit gegenüber Problemen beeinflussen können (vgl. Meer 2003).

Transparenz und Rollentrennung

Für Lehrende bleibt die Herausforderung, sich der Unterschiedlichkeit der Rollen und Erwartungen klar zu sein. Denn in Sprechstunden sind sie weiterhin Fachexpert*in, Berater*in, Betreuer*in, Notengeber*in und mehr. Aber sind sie auch auch Lernbegleiter*in und ein Individuum, das sich einen positiven und wertschätzenden Kontakt mit Studierenden wünscht. Zugleich sind viele Aufgaben wie Forschen, Verwalten und weitere zu bewältigen. Das Eigene gilt es transparent zu machen und die Rollen möglichst zu trennen.

Kordts-Freudinger, R. & Geithner, E. (2012): Projektmanagement bei der Betreuung von Abschlussarbeiten. In B. Berendt, J. Wildt & B. Szczyrba (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre (F3.3). Berlin: Raabe Verlag.

Meer, D. (2003): „Wollen sie auch eine Bescheinigung?“ – Probleme und Verhaltensmöglichkeiten in hochschulischen Sprechstundengesprächen. In: Berendt, B./ Voss, H.-P. / Wildt, J. (Hrsg): Neues Handbuch Hochschullehre. Bonn, F2.3.

Thomann, G. / Pawelleck, A. (2013): Studierende beraten. Opladen: Toronto.