Ungleichgewichte in Diskussionen vermeiden

Aspekte einer diversitätssensiblen Moderation

„Im Gedankenaustausch und in Diskussionen können Ungleichgewichte in Bezug auf die Beteiligung von Studentinnen und Studenten oder in Bezug auf die Gesprächsdynamik auftauchen. Die folgenden Fragen können Ihnen helfen, solche Ungleichgewichte aufzudecken:

  • Wie häufig und wie lange sind die Wortmeldungen von Studentinnen und Studenten?
  • Wie selbstsicher tritt eine Person beim Erläutern ihres Standpunktes auf?
  • Wird ein Bezug zu vorangehenden Wortmeldungen hergestellt oder werden sie ignoriert? Handelt es sich um Wortmeldungen von Studentinnen oder Studenten?
  • Wird der Inhalt einer vorangehenden Wortmeldung wiederholt und für sich in Anspruch genommen, ohne auf die betreffende Person Bezug zu nehmen? Handelt es sich dabei um die Wortmeldung einer Studentin oder eines Studenten?
  • Wessen Standpunkt setzt sich in der Diskussion durch?
  • Gibt es Personen, die andere Teilnehmende in der Diskussion unterbrechen?
  • Wer erlaubt sich, der Lehrperson gegenüber Kritik zu äußern?“ (Universität Freiburg. Selbstevaluation der Lehre. Glossar „Ungleichgewichte in Diskussionen)

Beachten Sie, dass eine lebhafte Diskussion Studierende mit Beeinträchtigungen sowie eher zurückhaltende Studierende benachteiligen kann. „Daher ist es wichtig, Diskussionen deutlich zu moderieren. Dazu gehören ggf. die Aufforderung, einen Wortbeitrag klar verständlich zu wiederholen, Unterbrechungen zu unterbinden, Studierende ausreden zu lassen und sie möglichst namentlich anzusprechen.“ (Björn Fisseler, 2014, S. 95)

Aktivierende Lehr- und Lernmethoden

Studierendenzentrierte Lehre, die einen deutlichen Fokus auf kollaborative Lernformen legt, ist geeignet, um Studierende unterschiedlicher Herkunft aktiv in den Prozess der akademischen Bildung zu involvieren (z. B. Bamber und Tett, 2001, Haggis, 2006). Aktuelle Erfahrungen knüpfen damit an Forschungsergebnisse an, die auch schon früher eine deutliche Verbindung zwischen Studierendenzentrierung und Studienerfolg aufgezeigt haben (Marton et. alo., 1997; Proesser und Trigwell, 1999, Linde, Auferkorte-Michaelis, 2014).

„Um gleichberechtigte Lernchancen zu schaffen, braucht es demnach ein offenes Lernklima, die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Fehler zu machen, mal unkonzentriert zu sein. Dies ist umso wichtiger für Zielgruppen, die in der Minderheit sind und so stets „sichtbar“ sind“ (Ihsen, 2013).

Auch in großen Lehrveranstaltungen lassen sich Aktivierung und Beteiligung von Studierenden fördern. Hier ist zwar die individuelle Interaktion mit Lehrenden stark begrenzt, allerdings kann z. B. über die Methode „Think-Pair-Share“ die Interaktion zwischen den Studierenden intensiviert werden und das Mitdenken angeregt werden. „Studierende, die sich erst mit Kommiliton[*inn]en über eine Antwort abgestimmt haben, fühlen sich vielleicht sicherer, eine Antwort geben zu können. Außerdem hatten sie so genügend Zeit die Frage ernsthaft zu verstehen. Lehrende sollten sich darüber bewusst sein, dass es verschiedene Frageformate gibt, die unterschiedlich zu Diskussion bzw. Interaktion anregen. Dagegen bieten Begründungs- oder Prozessfragen den Studierenden die Möglichkeit unterschiedliche Lösungswege zu diskutieren und regen einen Austausch zwischen Kommiliton[*inn]en deutlich stärker an.“ (ebd. S.3)“

Im Folgenden wird diese allgemeine Einsicht an fünf konkreten Handlungsstrategien konkretisiert, mit denen eine diversitätssensible Lehre unterstützt werden kann:

Strategie Förderung durch
1. Rahmenbedingungen schaffen, die Aktivierung zulassen
  • Selbstkontrollfragen (Lernziele als Leitfragen bzw. Aufgaben formulieren)
  • Rhythmisierung der Vorlesung in ständigen Wechsel von aktiven und passiven Lernphasen
  • Begleitaufgaben: für alle gleich und freiwillig, Lösungen folgen später
  • Konkrete Aufgabenstellungen in der Vorlesung
  • Wiederholungsmöglichkeiten außerhalb der Vorlesung schaffen z.B. über Blended Learning: Tandems, Lernteams, Zusammenfassungen…
  • Begleitende Projekte und Referate durch Studierende kurz vorstellen lassen
2. Elemente der inhaltlichen Aktivierung einbauen
  • Bezug zu konkreten, u. U. persönlichen Problemen (z. B. „Stellen Sie sich folgende Situation in Ihrem Urlaub vor …!“)
  • Veranschaulichung durch aktuelle Beispiele (z. B. „Sie haben sicherlich in den Nachrichten von … gehört“)
  • Bezug zu Erfahrungen, Vorkenntnissen der Zuhörerinnen und Zuhörer (z. B. „Sie erinnern sich sicher an …!“) oder „Wir hatten letzte Woche die Frage … behandelt!“) Hinweise auf die Bedeutung des Themas, Hervorheben von wesentlichen Sachverhalten
3. Elemente der didaktischen Motivierung einbauen
  • stimulierende Darstellungsformen (z. B. Konflikt, Neugier, Überraschung, Zweifel, Widerspruch; also z. B. gemeinhin als wahr erachtete Sachverhalte in Zweifel ziehen,
  • Hörsaal in Gruppen einteilen und gegeneinander arbeiten lassen (Zeitdruck)
  • Medienwechsel, z.B. handschriftlich visualisieren
  • Lernstopp, Aufforderung zum bewussten nicht „Nicht-Mitschreiben“ über kurze Zeitspanne
4. Interaktion mit dem Plenum
  • mit dem Mikrofon ins Plenum gehen
  • zu den Hinten-Sitzenden gehen
  • bei Unruhe nicht lauter werden, sondern leise bis still (Körperhaltung einfrieren)
  • Einbindung von Partner – und Kleingruppenphasen
  • Einschätzungsfrage mit Handheben
  • Zettelkasten für Fragen und Feedback
  • Frage-Runde starten
  • direkte Fragen an Einzelne
5. Einbindung von Pausenelementen
  • ein/e Lehrende/r liest zur Halbzeit der Vorlesung eine Management-Glosse vor und bezieht diese in den anschließenden Vortrag mit ein
  • Quiz über einzelne Phasen der Vorlesung als Zwischenziele
  • Bewegungspuzzle
  • Gedanken-Jogging, Knobelaufgabe.“

Bamber, John & Tett, Lyn (2001) Ensuring lntegrative learning experiences for non-ensuring integrative learning experiences for non-traditional students in higher education in higher education. Widening Particip Lifelong Learn 3(1):8–16

Fisseler, Björn (2014). Barrierefreie Hochschuldidaktik. In Brigitte Berendt. Hans-Peter Voss. Johannes Wildt (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre: Lehren und Lernen effizient gestalten.(Nr. 66) Stuttgart: Raabe. (S. 81-106)

Haggis, Tamsin (2006) Pedagogies for diversity: retaining critical challenge amidst fears of ,dumbing down‘. Stud High Educ 31(5):521–535. Abgerufen am 22.3.2016 unter http://www.storre.stir.ac.uk/bitstream/1893/457/1/Haggis_Pedagogies_for_diversity_2006.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Ihsen, Susanne (2013). Handlungsempfehlungen für Gender-Aspekte in die Physik-Lehramt-Lehre im Rahmen des Projekts Dialog MINT-Lehre. Mehr Frauen in MINT-Studiengänge Ein Projekt des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.Abgerufen am 22.3.2016 unter http://www.kompetenzz.de/content/download/21960/221076/file/Handlungsempfehlungen%20Lehramt%20Physik.pdf

Linde, Frank & Auferkorte-Michaelis, Nicole (2014) Diversitätsgerecht Lehren und Lernen. (S. 137-175). In Kathrin Hansen (Hrsg.): CSR und Diversity Management. Erfolgreiche Vielfalt in Organisationen. Berlin, Heidelberg: Springer. Abgerufen am 22.3.2016 unter https://www.researchgate.net/publication/284247099_Diversitatsgerecht_Lehren_und_Lernen

Marton Ference, Hounsell Dai Entwistle Noel James (Hrsg) (1997) The experience of learning. Implications for teaching and studying in higher education, 2. Aufl. Scottish Academic, Edinburgh

Universität Freiburg. Selbstevaluation der Lehre. Glossar „Ungleichgewichte in Diskussionen“. Abgerufen am 24.3.2016

Prosser Michael & Trigwell, Keith(1999) Understanding learning and teaching. The experience in higher education. Society for Research into Higher Education & Open University, Philadelphia