Einsatzmöglichkeiten textbasierter KI in der Hochschullehre

21.01.24

Unter der Annahme, dass Hochschullehre Studierende darauf vorbereiten sollte, den sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden und ihnen die erforderlichen Kompetenzen zur effektiven Nutzung von KI-gestützten Technologien zu vermitteln, stellt sich die Frage nach einer angemessenen Didaktik im Umgang mit textbasierter KI wie ChatGPT.

Anforderungen an den Einsatz von KI

Soll generative KI in der Lehre eingesetzt werden, empfiehlt es sich, entsprechend der grundlegenden didaktischen Herangehensweise eine Betrachtung des Constructive Alignment vorzunehmen, dass grundsätzlich bei der Auswahl von Lehr-Lern-Methoden und Prüfungsformen zum Einsatz kommen sollte. Zudem ist eine kritische Reflexion über die Rolle von Schreibkompetenzen im Kontext der Hochschullehre und darüber, wie diese Kompetenzen zukünftig vermittelt werden können, von Bedeutung. Auch kann die zugehörige Didaktik nur dann ihre Wirksamkeit entfalten, wenn die Studierenden über eine ausreichende fachliche Wissensbasis verfügen und in der Lage sind, die Qualität eines KI-Outputs kritisch-reflektiert zu bewerten (Mohr, 2023; Salden, Lordick & Wiethoff, 2023). Allerdings dürfen Studierende nicht verpflichtet werden, ChatGPT anzuwenden (vgl. Spannagel, 2023b). Dies liegt unter anderem daran, dass eine Nutzung nur mit Anmeldung und nach Eingabe persönlicher Daten möglich ist. Auch bei anderen KI-Tools ist die möglicherweise der Fall.

Im Folgenden werden Ideen vorgestellt, wie textbasierte KI wie ChatGPT im Kontext Hochschule mit Studierenden eingesetzt werden kann (siehe auch Tabelle 1 hier zum Download (wird in neuem Tab geöffnet) ). Bei ihrer Anwendung sollten jedoch grundsätzliche Probleme wie beispielsweise der Datenschutz, der auf den genutzten US-amerikanischen Servern nicht EU-Normen entspricht, die Verwendung der Eingaben als Trainingsdaten für die KI, die Korrektheit der Ausgaben sowie die oben benannten Verzerrungen immer mitgedacht werden (siehe Abschnitt „Sensibilität hinsichtlich Bias und Verzerrungen“ hier im Artikel ).

Wird KI zur Unterstützung bei der Textproduktion eingesetzt und in den Schreibprozess integriert, stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Schreibaufgaben die Studierenden selbst übernehmen sollen (z.B. Quellen recherchieren & bewerten) und welche sie guten Gewissens der KI als Schreibtool überlassen dürfen (z.B. Überarbeitung von Formulierungen, Verbesserung des Sprachstils).

Textbasierte KI-Systeme können auf vielfältige Weise bei der Textproduktion unterstützen. Die wohl naheliegendsten Anwendungsbeispiele sind die Überarbeitung von Formulierungen oder die Verbesserung des Sprachstils (Spannagel, 2023b; Salden, Lordick & Wiethoff, 2023). Fremdsprachliche Texte können übersetzt oder korrigiert werden. Durch eine Eingabe in ChatGPT mit entsprechender Arbeitsanweisung kann die Qualität eines selbst verfassten Textes schnell erhöht werden, indem beispielsweise Rechtschreibfehler verbessert werden oder Textstellen umformuliert werden, um die eigenen Gedanken treffender wiederzugeben (Salden, Lordick & Wiethoff, 2023; Spannagel, 2023b). Auch das Kürzen von Texten sowie die Überarbeitung des Sprachstils sind Aufgaben, bei denen textbasierte KI-Systeme unterstützend eingesetzt werden können.

Zudem kann ChatGPT genutzt werden, um sich Forschungsfragen oder eine erste Gliederungsstruktur eines Textes vorschlagen zu lassen. Auch einen Einstieg ins Schreiben zu finden und gegebenenfalls vorhandene Schreibblockaden zu lösen, ist eine mögliche Unterstützung. Eine entsprechende Nutzungsmöglichkeit besteht darin, erste eigene Gedanken von der KI gut ausformulieren zu lassen und so die eigenen Ideen auf den Punkt zu bringen oder diese im dialogischen Zusammenspiel mit der KI weiterzuentwickeln. Schließlich können Literaturquellen durchsucht und zusammengefasst werden, indem KI-Systeme beispielsweise relevante Informationen aus Texten extrahieren (Spannagel, 2023b, 2023c; Salden, Lordick & Wiethoff, 2023). Einige spezielle KI-Systeme, die für die Literaturrecherche und die Arbeit mit Quellen eingesetzt werden können, stehen hier im Artikel beschrieben.

Über das Generieren von Texten hinaus kann ChatGPT auch zum Programmieren eingesetzt werden. Neben dem Schreiben und Erklären lassen von Code sind auch das Überprüfen von selbst geschriebenem Code, die Fehlersuche oder die Übersetzung in eine andere Programmiersprache Anwendungsmöglichkeiten (Gimpel et al., 2023; Mohr et al., 2023). Einige Vorschläge für Prompts, die helfen, ChatGPT beim Programmieren einzusetzen, haben Gimpel et al. (2023, S. 25, Tabelle 3) hier zusammengetragen (wird in neuem Tab geöffnet).

Textbasierte KI-Systeme können eingesetzt werden, indem Chatbots wie ChatGPT als Lernbegleiter fungieren und Studierende bei Fragen und Problemen unterstützen (Spannagel, 2023b; Weßels, 2022). Dabei kann ChatGPT zum Beispiel Antworten auf häufig gestellte Fragen generieren, Lösungen erklären lassen und mathematische Rechnungen lösen (letzteres derzeit noch nicht immer fehlerfrei). Darüber hinaus können textbasierte KI-Systeme genutzt werden, um individuelle Lernmaterialien zu erstellen. Beispielsweise können Texte in leichtere Sprache übersetzt werden, um Lernenden mit unterschiedlichem Hintergrund gerecht zu werden (Spannagel, 2023b). Da ChatGPT auch Texte zusammenfassen kann, können entsprechende Zusammenfassungen beispielsweise genutzt werden, um sich einen Überblick über die Inhalte eines längeren Textes zu verschaffen. Zudem besteht die Möglichkeit, Transkripte von YouTube-Videos mit eigens dafür entwickelten Plugins, beispielsweise ein von Google entwickeltes Tool für den Browser Chrome, einzulesen und dann von ChatGPT zusammenfassen zu lassen.

Überdies kann textbasierte KI zur Selbstüberprüfung des Lernens genutzt werden. Zum Beispiel können Lernende Lösungen, die von ChatGPT generiert werden, mit ihren eigenen Lösungen vergleichen, um ihr Wissen und Verständnis zu prüfen (Hanke, 2023). Selbst verfasste Texte können ebenfalls zusammengefasst werden, um zu prüfen, ob die Kernideen klar und verständlich sind (Spannagel, 2023c). Die KI-Systeme können auch individualisiertes Feedback geben, um den Lernenden bei der Verbesserung ihrer Fähigkeiten zu helfen (Spannagel, 2023b). Selbst für das Sprachenlernen kann ChatGPT als Dialogpartner*in genutzt werden (siehe hier das Video von Kipp, 2023).

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, um Studierenden die Kompetenzen zur Verwendung von textbasierter KI wie ChatGPT zu vermitteln und einzuüben. Hierbei ist es grundsätzlich empfehlenswert, den generierten Text kritisch zu hinterfragen und vor dem Hintergrund des Fachwissens zu bewerten (Mohr et al., 2023; Weinmann-Sandig, 2023). Eine Methode hierfür besteht darin, Diskussionen mit den Studierenden über die von ChatGPT gegebenen Antworten zu führen und diese gemeinsam hinsichtlich Stärken, Schwächen und Fehlern zu analysieren (Mohr et al., 2023).

Um die Studierenden für unterschiedliche Sprachstile und Ausdrucksformen zu sensibilisieren, können Studierende ChatGPT Texte in unterschiedlichen Formaten (z.B. Zeitungsartikel, wiss. Artikel) verfassen lassen und die Sprach- und Schreibstile miteinander vergleichen. Hierbei kann man auch gemeinsam mit der Lerngruppe Kriterien für Textsorten entwickeln, z.B. für hochwertige wissenschaftliche Arbeiten, indem mit ChatGPT ein Beispiel entwickelt und dann kritisch reflektiert wird (Mohr et al., 2023).

Wie im vorherigen Abschnitt erwähnt, besteht eine besondere Herausforderung bei der Verwendung von textbasierter KI darin, geeignete Prompts zu finden. Gimpel et al. (2023) schlagen vor, Beispielprompts auszuprobieren, die sich bewährt haben und zu überprüfen, ob diese für die eigenen Ziel- und Fragestellungen geeignet sind. Darüber hinaus können verschiedene Antworten der KI auf spezifische Prompts verglichen und bewertet werden. Um die Ausgabe der KI zu verbessern, können die Studierenden Prompts schreiben und im Dialog mit ChatGPT iterativ die Ausgabe der KI anpassen und verbessern. Zudem wird empfohlen, die KI mit weiteren Informationen zu füttern und das Ergebnis immer wieder zu bewerten. Schließlich können die Studierenden auch Sammlungen „guter„ oder „geeigneter“ Prompts erstellen lassen, um den Prozess der Prompt-Auswahl zu erleichtern.

Im Umgang mit textbasierter KI soll auch das Verständnis der Studierenden dafür, was eine eigenständige wissenschaftliche Leistung ist, geschärft werden. Hierfür sollten verschiedene Maßnahmen in die Lehre integriert werden, wie beispielsweise das Besprechen von Eigenleistung und unzulässig genutzten Hilfsmitteln als Täuschungsversuch. Studierende müssen wissen, wie sie KI nutzen dürfen und wie sie die Nutzung anzugeben haben. Eine weitere wichtige Verantwortung von Lehrenden an Hochschulen ist es, stereotype Antworten und Verzerrungen, die von der KI generiert werden, zu thematisieren und kritisch mit den Studierenden zu reflektieren, welche gesellschaftliche Folgen dies haben könnte (Gimpel et al., 2023).

ChatGPT kann Lehrende auf vielfältige Weise bei der Vorbereitung und Organisation von Lehrveranstaltungen unterstützen (siehe Tabelle 2 hier zum Download (wird in neuem Tab geöffnet) ). Dies kann den organisatorischen Aufwand der Lehrenden reduzieren und ihnen mehr Zeit für die inhaltliche Gestaltung der Veranstaltungen geben.

Die Vorbereitung von Lehre wird insbesondere bei Textsorten, die stark standardisiert sind, erleichtert. Eine der Möglichkeiten besteht darin, Lernziele von ChatGPT formulieren zu lassen und individuell anzupassen und zu ergänzen (Mohr, 2023; Spannagel, 2023b). Zudem KI Inspiration für Veranstaltungsinhalte und -planungen geben und Lehrenden helfen, Veranstaltungs- und Modulbeschreibungen zu verfassen (Gimpel et al., 2023; Mohr et al., 2023). Multimediale Lehrmaterialien könnten z.B. mit dem Prompt „Erstelle mir ein Skript / Storyboard für ein 10-minütiges Erklärvideo zum Thema xy“ effizient produziert werden. Eigene Erklärungen von schwierigen Konzepten können überprüft und verbessert werden, indem man sie mit der Lösung der KI vergleicht.

ChatGPT kann eingesetzt werden, um offene und geschlossene Lern- und Prüfungsaufgaben für die Hochschullehre zu erstellen bzw. um Inspirationen für entsprechende Fragen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu bekommen (Gimpel, 2023; Mohr et al, 2023; Salden, Lordick & Wiethoff, 2023; Spannagel, 2023b). Bei geschlossenen (Quiz-) Fragen im Antwortwahlverfahren (siehe die Texte hier und hier) ist es besonders beim Generieren von Antwortalternativen und Distraktoren (Falschantworten) hilfreich (Salden, Lordick & Wiethoff, 2023). Beispiele für Prompts, die für das Erstellen von Quizaufgaben hilfreich sind, finden sich in Gimpel et al. (2023).

Unterstützung bei offenen Aufgaben kann ChatGPT unter anderem bieten, in dem es Rollenspielszenarien entwickelt, Argumente für Pro-Kontra-Diskussionen ausgibt oder Fälle und Beispiele für die Lehre erstellt. Außerdem können Anleitungen und Bearbeitungshinweise für Aufgaben erstellt werden. Ferner besteht die Möglichkeit, ChatGPT Aufgaben zum Lösen zu geben, um zu prüfen, wie entsprechende Lösungsansätze aussehen könnten (Mohr et al., 2023). Auch Anleitungen zum Erstellen von schriftlichen Ausarbeitungen können erstellt werden. Einige Autor*innen schlagen ferner vor, dass KI genutzt werden kann, um Bewertungsraster für Prüfungsleistungen erstellen zu lassen (Salden, Lordick & Wiethoff, 2023; Spannagel, 2023b).

KI könnte in naher Zukunft auch individualisierte Lernpfade für Studierende ermöglichen, indem sie das Lernverhalten und die Leistung jedes einzelnen Studierenden analysiert und entsprechend personalisierte Lerninhalte und -methoden bereitstellt.

Sollen Texte und Lösungen von Studierenden bewerten werden, sind jedoch zwei Aspekte zu beachten: Zum einen dürfen Antworten von Studierenden auf Prüfungen, die von der Lehrperson erstellt wurden, aufgrund des Urheberrechts nicht in eine KI eingegeben werden, wenn diese die Prüfungsleistung als Trainingsdaten nutzt, wie es bei ChatGPT der Fall ist. Zum anderen muss die Lehrperson die Prüfungen selbst bewerten und darf KI bei der Bewertung maximal als Hilfsmittel benutzen (Hoeren, 2023). Ad absurdum geführt würde ein entsprechendes Anwendungsszenario sonst spätestens dann, wenn von einer KI geschriebene Texte durch eine KI bewertet werden (Reinmann, 2023). Zudem ist anzumerken, dass bei diesen Anwendungsbeispielen implizit vorausgesetzt wird, dass die KI über eine ausreichend gute Wissensbasis verfügt. Dies ist derzeit jedoch (noch) nicht der Fall (vgl. Artikel hier ), weswegen die im Artikel hier (Abschnitt: Wie verändern sich die Kompetenzen, die Studierenden zukünftig benötigen werden?) diskutierten Kompetenzen im Umgang mit ChatGPT sowohl für Studierende als auch für Lehrende immer mitgedacht werden müssen. Eine umfassende Wissensbasis der Anwender*innen und die Fähigkeit zur reflektierten Nutzung von KI sind in jedem Fall entscheidend, um die Potenziale dieser Technologie bestmöglich zu nutzen.

Gimpel, H., Hall, K., Decker, S., Eymann, T., Lämmermann, L., Mädche, A., Röglinger, M., Ruiner, C., Schoch, M., Schoop, M., Urbach, N. & Vandirk, S. (2023). Unlocking the power of generative AI models and systems such as GPT-4 and ChatGPT for higher education. https://digital.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/digital/Generative_AI_and_ChatGPT_in_Higher_Education.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Hanke, U. (2023, 8. Februar). Lernen und Prüfen in einer Welt mit ChatGPT mit Hilfe der Lernzieltaxonomie. [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=re5j1I6jHTE

Hoeren, T. (2023). Rechtsgutachten zum Umgang mit KI-SoftwareHochschulkontext. https://hss-opus.ub.ruhr-uni-bochum.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/9734a

Kipp, M. (2023). Wie sag ich’s meiner KI? Hintergründe und Prinzipien zum Prompting bei ChatGPT [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=cfl7q1llkso

Mohr, G., Reinmann, G., Blüthmann, N., Lübcke, E. & Kreinsen, M. (2023). Übersicht zu ChatGPT im Kontext Hochschullehre. Hamburger Zentrum für universitäres Lehren und Lernen. https://www.hul.uni-hamburg.de/selbstlernmaterialien/dokumente/hul-chatgpt-im-kontext-lehre-2023-01-20.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Reinmann, G. (2023). Wozu sind wir hier? Eine wertebasierte Reflexion und Diskussion zu ChatGPT in der Hochschullehre. Impact free, 51, 1-14. https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2023/02/Impact_Free_51.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Salden, P., Lordick, N. & Wiethoff, M. (2023). KI-basierte Schreibwerkzeuge in der Hochschule. Eine Einführung. https://hss-opus.ub.ruhr-uni-bochum.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/9734

Spannagel, C. (2023a). ChatGPT und die Zukunft des Lernens: Evolution statt Revolution. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/chatgpt-und-die-zukunft-des-lernens-evolution-statt-revolution

Spannagel, Christian (2023b, 28. Februar). ChatGPT & Co. in der Hochschullehre [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=aM6fZuH1cGw

Spannagel, Christian (2023c, 17. März). #ChatGPT als kognitives Werkzeug [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=J9W2Pd9GnpQ

Weinmann-Sandig, N. (2023). ChatGPT – Eine Chance zur Wiederbelebung des kritischen Denkens in der Hochschullehre. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/praxistest-chatgpt-weimann-sandig

Weßels, D. & Gottschalk, O. (2022). Hochschullehre unter dem Einfluss des KI-gestützten Schreibens. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/Hochschullehre-KI-gestuetztes-Schreiben

Weßels, Doris (2022, 20. Dezember) ChatGPT in der modernen Lehre [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=_QaVNFuH6Cw

Weßels, D. (2021). KI-gestützte Textproduktion an Hochschulen? https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/ki-gestuetzte-textproduktion-an-hochschulen-4292