Prüfen als Prozess verstehen?

Prüfungen finden (zumeist) am Ende des Semesters statt und werden deshalb von Lehrenden und Studierenden als einmalige Ereignisse wahrgenommen. Entsprechend „isoliert“ findet oftmals auch die Prüfungskonzeption statt; Studierende beginnen häufig „kurz vor knapp“ mit der Vorbereitung. Der Anspruch an die Verschränkung des Prüfungsgegenstands mit den Lehrzielen und Lehr-Lern-Methoden legt jedoch nahe, Prüfen als einen Prozess aufzufassen, der einen großen Zeitrahmen, von Veranstaltungsplanung, über die Durchführung der Lehrveranstaltung, bis hin zur Nachbereitung, umspannt (Schindler, 2015). Den Prüfungsgegenstand bereits bei der Veranstaltungsplanung zu definieren bietet folgende Vorteile:

  1. Lehrziele können somit mit Blick auf ihre Überprüfbarkeit formuliert werden. Es besteht nicht die Gefahr, „unrealistische“ Lehrziele zu setzen, deren Erreichen Sie am Ende des Semesters nicht evaluieren können.
  2. Durch eine hohe Passung zwischen Prüfungsaufgaben und Lehrzielen können Sie die Lernprozesse Ihrer Studierenden günstig beeinflussen. Machen Sie Ihren Studierenden dazu klar, dass die Prüfungsanforderungen an den Lehrzielen ausgerichtet sein werden und sich die Lehrziele deshalb auch zur Lernstandkontrolle eignen.
  3. Das Nachdenken über die Anforderungen von Prüfungsaufgaben (z. B. im Sinne der kognitiven Validität: welches Verhalten möchte ich auslösen?) bietet Ansatzpunkte zur Reflexion der eingesetzten Lehr-Lern-Methoden: Stelle ich in den Sitzungen analoge Anforderungen? Biete ich den Studierenden also Gelegenheiten, die notwendigen Wissensbestände, Fähigkeiten oder Kompetenzen zu erwerben? Seien Sie bei der Gestaltung von passenden Lehr-Lern-Gelegenheiten gerne auch kreativ im Sinne dieser Systematik.

Die folgenden Beiträge beziehen sich daher zwar auf einzelne Teilschritte bei der Prüfungsgestaltung, -durchführung und -auswertung. Sie sind jedoch systematisch in einen Prozess eingebunden, der auch Rückkopplungsschlaufen vorsieht. Merken Sie zum Beispiel, dass eine Prüfungsaufgabe bei einem Probelösen anders gelöst wird, als beabsichtigt (Vgl Abschnitt zur Abgleich von Prüfungsaufgaben und Lehrzielen ), kehren Sie zum vorangegangenen Schritt zurück und überdenken Sie die Aufgabengestaltung oder konkretisieren Sie Ihre Lehrziele. Machen Sie also das Prüfen zu einem integralen Teil Ihrer Lehrveranstaltungsplanung und -durchführung. Folgen Sie dem Prinzip des constructive alignment (Biggs, 1996), wodurch Sie die Qualität Ihrer Lehre dadurch begünstigen können, dass Sie Lehrziele, Unterrichtsmethoden und Prüfungsformen passend zueinander wählen. Nutzen Sie das Prinzip dabei systematisch und beschränken Sie es nicht auf die strukturellen Ebene Ihrer Veranstaltung. Constructive Alignment ist in erster Linie ein gedankliches Framework zum systematischen Nachdenken über das Lehren.

Biggs, J. (1996): Enhancing teaching through constructive alignment. In: Higher Education 32: 347-364.

Schindler, C. (2015): Herausforderung Prüfen. Eine fallbasierte Untersuchung der Prüfungspraxis von Hochschullehrenden im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprogramms. Dissertation. Online verfügbar unter: https://mediatum.ub.tum.de/doc/1271273/1271273.pdf.