Studierende in die weitere Evaluation einbinden

Der Einsatz studentischer Lehrevaluation im Sinne der Weiterentwicklung und Optimierung von Lehre und studentischem Lernen ist nur sinnvoll und wirksam, wenn das Ausfüllen der Fragebögen weitere Reaktionen und Handlungen nach sich zieht. Auf niedrigster Reaktionsebene genügt, dass Lehrende gegenüber den Studierenden einen Dank für die Teilnahme aussprechen und die im Verborgenen stattfindende Selbstreflektion über die Lehrevaluationsergebnisse. Auf höherer Reaktionsebene ist z. B. das Besprechen von Ergebnissen mit Studierenden wünschenswert.

Im Allgemeinen führt die Literatur (Webler, 1992; Rindermann, 2009) unterschiedliche Lehrevaluations-Modelle an (siehe nachstehende Tabelle), die der genannten Anforderung in unterschiedlichem Maße gerecht werden, allerdings für die Weiterentwicklung und Optimierung von Lehre unterschiedlich wirksam sind.

Lehrevaluations-Modell Wirksamkeit
Basis-Modell: Sensibilisierungshypothese
bloße Durchführung der Lehrevaluation ohne Ergebnisrückmeldung und/oder weitere (sichtbare) Reaktionen bzw. Handlungen
Keine oder geringe Effekte
Feedbackmodell
ergänzt Basis-Modell durch Ergebnisrückmeldung an Lehrende
Diskursmodell (Webler, 1992)
ergänzt Feedbackmodell durch veranstaltungsinterne Besprechung der Ergebnisse mit Studierenden initiiert durch Lehrenden
Kleine Effekte
Beratungsmodell/Beratungsansatz
kombiniert Ergebnisrückmeldung mit einer darauf bezogenen Beratung und möglicher Weiterbildung von Lehrenden
Mittlere bis große Effekte

Das Basis-Modell der Lehrevaluation fußt auf der sogenannten Sensibilisierungshypothese. Diese besagt, dass allein die durch Lehrevaluation verursachte höhere Sensibilität für Fragen der Lehre, zu Verbesserungen in der Lehre führt (Rindermann, 2009, S. 228). Bei diesem Modell bleibt es also bei der reinen Durchführung der Lehrevaluation. Entsprechend Rindermanns (2009) Überblick zu Studienergebnissen, zeigen sich für das Basis- und das Feedbackmodell entweder keine oder nur vergleichsweise geringe Verbesserungseffekte auf die Lehre. Somit werden sie dem oben genannten Anspruch nicht gerecht. Dies gelingt viel eher im Rahmen des sogenannten hochschuldidaktischen Diskursmodells (Webler, 1992). So kann Rindermann (2009, 238 f.) diesem gegenüber den erstgenannten Modellen mittels vergleichender Untersuchungen zumindest leichte Vorteile in der Steigerung der Lehrqualität bescheinigen. Die dennoch eher mageren Effekte der Modelle führt er auf fehlende ergänzende (didaktische) Beratung und Trainingsmöglichkeiten sowie determinierende Rahmenbedingungen zurück (Rindermann 2009, S. 246). Dieser Schlussfolgerung wird das Beratungsmodell/der Beratungsansatz gerecht. Mit diesem elaborierten Lehrevaluations-Modell können vergleichsweise bedeutsame Verbesserungseffekte auf Lehrqualität erreicht werden (Dresel & Rindermann, 2011).

An den meisten deutschen Hochschulen existiert das Diskursmodell als Mindeststandard, welches in der Regel in Evaluationsordnungen, -satzungen oder -richtlinien festgeschrieben ist. So auch an der TU Darmstadt, wo die Richtlinie zur Lehrveranstaltungsevaluation vorsieht, dass Lehrende die Lehrevaluationsergebnisse den Studierenden vorstellen und mit diesen besprechen. Aufseiten der Studierenden hat dies die wünschenswerte Folge, dass sie erfahren, ihre Beteiligung und Bewertung wird wertgeschätzt, ernstgenommen und fließt in die Gestaltung der Lehre ein. Dies erhält oder steigert die Motivation zur (weiteren) Teilnahme an Lehrevaluationen oder Befragungen. Darüber hinaus bringen Gespräche solcherart als positiven Nebeneffekt die Etablierung einer konstruktiven Rückmelde- und Feedbackkultur in Lehrveranstaltungen bzw. an Hochschulen mit sich.

Welcher explizite Nutzen ergibt sich nun aufseiten der Lehrenden aus Gesprächen mit Studierenden über ihre Lehrevaluationsergebnisse?

„Ein Gespräch ist flexibel, es können differenzierte, auf Veranstaltungsdetails bezogene Austauschauprozesse initiiert werden.“ (Rindermann 2009, S. 239).

Im Sinne des Zitates sollten Lehrende das Gespräch mit Studierenden als wertvolle Möglichkeit verstehen, detaillierte und aufschlussreiche Erkenntnisse sowie Ergänzungen zu ihren Lehrevaluationsergebnissen mit Verbesserungsimpulsen für das Lehren und Lernen zu gewinnen.

Folgende zentrale Chancen können für Lehrende aus einem Gespräch erwachsen:

  • Lehrevaluationsergebnisse können verständlicher werden, indem Unklarheiten oder Missverständnisse ausgeräumt werden
  • Mögliche determinierende Rahmenbedingungen und Strukturen können erkannt und aufgeklärt werden
  • Es besteht Raum für Feedback seitens der Lehrenden an die Studierenden, z. B. zu Mitarbeit, und didaktische Sichtweisen oder ein bestimmtes Vorgehen darzulegen oder zu begründen
  • Konkrete, handlungsleitende Verbesserungsvorschläge und Umsetzungsmöglichkeiten können gemeinsam erarbeitet werden, was zur Erweiterung des Handlungsrepertoires der Lehrenden führen kann
Folgende Tabelle soll Lehrenden eine Hilfestellung/Orientierung bieten, wie sie den Prozess der Besprechung von Lehrevaluationsergebnissen gestalten können. Das aufgezeigte Vorgehen kann von Lehrenden zur Auswahl genutzt bzw. an individuelle Gegebenheiten (z. B. zeitlicher Verfügungsrahmen; besonders positive Ergebnisse, die kaum Anlass zum Gespräch bieten) angepasst werden:

  • Für die Besprechung sollten 10 bis maximal 15 Minuten eingeplant werden
Vorsicht:
  • Erneute Gesamtevaluation sollte vermieden werden! (Gefahr von Motivationseinbußen auf Studierendenseite) Besprechung entlang einzelner, ausgewählter Ergebnisse
  • Deanonymisierung der Ergebnisse muss vermieden werden!
Vorbereitung
Auswahl der zu besprechenden Einzelergebnisse/-fragen:
Folgende Hilfsfragen können die Auswahl unterstützen:
  • Welche Lehraspekte sind persönlich besonders wichtig/interessant?
  • Welche Ergebnisse sind besonders erfreulich?
  • Welche Anregungen/Hinweise können sofort umgesetzt werden?
  • Welche Fragen/Items zeigen die positivsten und negativsten Ausprägungen, welche große Standardabweichungen?
  • Zu welchen Ergebnissen oder Kommentaren kommen bei der Durchsicht Fragen auf? (Unklarheiten, Widersprüche, Abweichung von der Selbsteinschätzung, fehlende Konkretisierung)
  • Zu welchen Kommentaren soll Stellung genommen werden? (Diskriminierung, unfaire Kommentare)
Auswahl der Sozialform
  • Soll im Plenum, in Kleingruppen, nur mit einer studentischen Vertretung besprochen werden?
  • Bei Großgruppen ist eine Plenumsdiskussion nicht einfach. Ergebnisse oder Fragen können in studentischen (Klein-)Gruppen diskutiert und im Plenum berichtet oder in Stichpunkten auf Papier gesammelt und an die Lehrperson überreicht werden. Alternativ kann die Besprechung im Anschluss an die Veranstaltung zw. einer Gruppe freiwilliger Studierender und dem/der Lehrenden stattfinden
Einstieg
  • Zu Verfügung stehenden Zeitrahmen nennen
  • Auswahl der Ergebnisse begründen
  • Bei Bedarf: allgemeingültige Feedbackregeln aufzeigen/erläutern
Ergebnispräsentation und Austausch
  • Zu besprechende Ergebnisse medial darstellen (Folie, Flipchart…), z. B. eine Grafik des Ergebnisberichts, abgetippte (kategorisierte) Kommentare
    -> Vorsicht: handschriftliche Kommentare müssen abgetippt werden, um Anonymität und Datenschutz gerecht zu werden
  • Möglichst konkret und anhand einzelner Beispiele besprechen und diskutieren
  • Bei unklaren studentischen Aussagen nachfragen
  • Konkretisierende Fragen helfen, differenzierte und konstruktive Rückmeldungen zu bekommen, z. B.:
    „Was ganz genau wünschen Sie sich mit/bei …?“
    „Welche …-Materialien haben Sie als hilfreich erlebt? Warum?“
    „Warum haben Sie … als schwierig empfunden?“
    „Was bedeutet das konkret?“
  • Austausch- und Diskussionsergebnisse dokumentieren
Abschluss
  • Nicht alle studentischen Anregungen und Wünsche müssen umgesetzt oder befolgt werden. Abschließend kann argumentiert werden, warum bestimmte Aspekte/Vorgehen beibehalten werden
  • Studierende können um Beurteilung erster Weiterentwicklungsideen gebeten werden, z. B. ob sie diese als hilfreich einschätzen
  • Benennung konkreter Maßnahmen und Umsetzungsabsichten
    -> Vorsicht: möglichst kleine, kurzfristig machbare Ziele setzten, langfristig können größere Änderungen anvisiert werden

Die Besprechung von insbesondere kritischen Lehrevaluationsergebnissen fällt Lehrenden eventuell nicht leicht. Dann kann es hilfreich sein, den Prozess durch einen externen, nicht betroffenen Moderator oder eine externe Moderatorin führen zu lassen. Hierbei können sich Lehrende der TU Darmstadt an die Arbeitsbereiche Evaluation und/oder Hochschuldidaktische Weiterbildung und Beratung der Hochschuldidaktischen Arbeitsstelle wenden. Die Arbeitsbereiche stehen zudem bei weiterer Interpretationsunsicherheit oder für Beratung zur Weiterentwicklung von Lehrveranstaltungen auf Grundlage eigener Lehrevaluationsergebnisse zur Verfügung.

Dresel, M. & Rindermann, H. (2011). Counseling university instructors based on student evaluations of their teaching effectiveness: A multilevel test of its effectiveness under consideration of bias and unfairness variables. Research in Higher Education, 52, 717-732.

Hochschuldidaktik, Universität Zürich (o. J.). Lehrevaluation im Dialog – Diskussion der Umfrageergebnisse mit den Studierenden. https://www.sae.uzh.ch/dam/jcr:09c39bcd-a271-4431-84dd-d0d2c96ac89b/Ergebnisdiskussion_Hochschuldidaktik_D_E.pdf (wird in neuem Tab geöffnet), 17.02.2019

Philipp, J., Zentrum für Wissenschaftsdidaktik, Ruhr-Universität Bochum (o. J.). Rückmeldegespräche zur Lehrevaluation führen. https://dbs-lin.ruhr-uni-bochum.de/lehreladen/die-lehrenden-im-fokus/lehrevaluation/rueckmeldegespraeche/, 22.02.2019

Rindermann, H. (2009). Lehrevaluation. Einführung und Überblick zur Forschung und Praxis der Lehrveranstaltungsevaluation an Hochschulen mit einem Beitrag zur Evaluation computerbasierten Unterrichts (2., leicht korrigierte Auflage) (Psychologie, Bd. 42). Landau: Verlag Empirische Pädagogik.

Spiekermann, A. & Fleischmann, A., ProLehre, Technische Universität München (o. J.). Umgang mit Ergebnissen der Lehrveranstaltungsbewertung. https://www.lehren.tum.de/fileadmin/w00bmo/www/Downloads/Themen/Evaluation/Dokumente/lehrveranstaltungsbewertung_20160120.pdf (wird in neuem Tab geöffnet), 22.02.2019

Universitätsprojekt Lehrevaluation, Friedrich-Schiller-Universität Jena (o. J.). Tipps zur Arbeit mit den Ergebnisberichten zur Lehrveranstaltungsevaluation. https://www.ule.uni-jena.de/docs/tipps_bericht.pdf (wird in neuem Tab geöffnet), 22.02.2019

Webler, W.-D. (1992). Evaluation der Lehre: Praxiserfahrung und Methodenhinweise. In: Grühn, D. & Gattwinkel, H. (Hg.): Evaluation von Lehrveranstaltungen. Überfrachtung eines sinnvollen Instrumentes? Berlin: FU-Dokumentationsreihe, 143-161.