Workload Studierender einschätzen

Es kommt nicht selten vor, dass Studierende ihren aktuellen Workload in Lehrveranstaltungen als zu hoch empfinden. Wie aber kann ich als Lehrende_r prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist? Einen angemessenen Workload für die Studierenden zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Der vorliegende Artikel bietet konkrete Vorschläge zu diesem Thema. Unter anderem gibt er eine Vorlage für die Workload-Erfassung an die Hand, mit welchem Sie gezielt auf Ihre Studierenden zugehen können. Der Artikel wurde von einer Studentin der TU Darmstadt verfasst.

Über die Hälfte der Studierenden der TU Darmstadt empfinden das Verhältnis zwischen dem Arbeitsaufwand und den CPs als (zu) hoch. Dieses Ergebnis liegt uns durch die Studierendenbefragung von 2021 vor (vgl. Hochschuldidaktische Arbeitsstelle TU Darmstadt 2021: 14).

Ein hoher Workload für Studierende mag Lehrenden als richtig erscheinen, schließlich sollen die Studierenden viel lernen. Dennoch kann es in einzelnen Lehrveranstaltungen oder Semestern dazu kommen, dass Studierende durch falsche Einschätzung des Workloads überlastet werden und dadurch demotiviert oder gar krank werden. Im schlimmsten Fall führt dies zu Studienabbruch.

Überforderung im Studium kann zum ständigen Begleiter von Studierenden werden. Beispielsweise kann Überforderung auftreten, wenn den Studierenden von Seiten der Dozierenden ein zu großer Umfang an Aufgaben mit nach Hause gegeben wird. Bei Studierenden führt so ein zu hoher, aber andererseits auch ein zu niedriger Arbeitsaufwand zu Unzufriedenheit im Studium (vgl. Müller 2014: 2).

Von Seiten der Studierenden ist im aktuellen Online-Semester verstärkt eine hohe Belastung zu erkennen. Durch die Kompensierung der Präsenzzeit durch Arbeitsaufträge summiert sich der empfundene Workload von Studierenden im Vergleich zum davor schon größtenteils als zu hoch empfundenen Workload enorm.

Während die Präsenzzeit kaum veränderbar ist, können Dozierende jedoch besonders die Art und den Umfang der Vor- und Nachbereitung, aber auch die Gestaltung der Prüfungsvorbereitung massiv beeinflussen.

Dies scheint besonders von Bedeutung, wenn man sich den Zusammenhang zwischen empfundenem Workload und kognitiven Lernstrategien Studierender anschaut. Hier ist eine positive Korrelation zu verzeichnen, die sich zwischen oberflächlichem Lernen bei einem zu hoch empfundenen Workload ergibt (vgl. Baeten et al.: 248). Je höher Studierende also den Workload empfinden, umso mehr tendieren sie zu oberflächlichem Auswendiglernen. Ein zu hoher Workload hat also zudem eine negative Auswirkung auf tiefenorientierte Lernstrategien, bei denen Studieren versuchen, wirklich Zusammenhänge zu verstehen (vgl. Baeten et al.: 248).

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie ein angemessener Workload von Studierenden gemessen werden kann, was aus dem aktuellen Forschungsstand abzuleiten ist und auf welche Einflussfaktoren besonders zu achten ist.

Wird von einem angemessenen Workload von Studierenden gesprochen, muss zunächst genauer erläutert werden, was darunter zu verstehen ist. So handelt es sich beim Workload um die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden (vgl. Kember 2014: 165), welche sich, bezogen auf das Studium, aus der Präsenzzeit und der Selbstlernzeit zusammensetzen (vgl. Müller 2014: 1).

Während unter der Präsenzzeit alle Kontaktzeiten, in denen sich Studierende und Dozierende austauschen, gezählt werden, fallen Tätigkeiten, wie eine Referatsvorbereitung, Recherche und Vor- bzw. Nachbereitung einer Veranstaltung unter die Selbstlernzeit (vgl. Müller 2014: 1).

Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde schließlich das European Credit Transfer System eingeführt. Die zu erreichenden 180 Credit-Points im Bachelor-Studium berechtigt Studierende, einen Abschluss zu erhalten. Ein Credit Point entspricht hierbei rund 30 geleisteten Arbeitsstunden auf Seiten der Studierenden (vgl. Müller 2014: 1).

Was ist der Vorteil des European Credit Transfer System (ECTS)?

Mit der Einführung des ECTS wurde eine Größe geschaffen, mit deren Hilfe sowohl Studienanforderungen, als auch Studienleistungen quantitativ gemessen werden können (vgl. Metzger 2013: 139). Als Orientierung dienend, soll so ein sogenannter Überlastschutz gewährleistet sein (vgl. Metzger 2013: 139).

Weiterhin erleichtert ein angepasstes Punktesystem die internationale Anerkennung der Studienleistung. Folglich ergibt sich für Studierende sowohl im nationalen, als auch im internationalen Hochschulraum eine erhöhte Mobilität (vgl. Metzger 2013: 139).

Die Methoden der Forschung

Betrachtet man die derzeitige Forschung zum Arbeitsaufwand von Studierenden, so wird deutlich, dass es sich hierbei eher um qualitative, statt um quantitative Forschung handelt. Der Grund hierfür scheint in der fehlenden Validität der quantitativen Forschung zu liegen (vgl. Müller 2013: 77).

Es ist zusätzlich zu erwähnen, dass es zudem gar nicht die Intention der Forschung ist, eine möglichst flächendeckende Aussage zu treffen (vgl. Müller 2013: 77). Vielmehr soll der Erkenntnisgewinn, der aus den Ergebnissen gezogen wird, ins Zentrum gerückt werden (vgl. Müller 2013: 77).

Abschließend ist festzuhalten, dass aufgrund der durch die verschiedenen Einflussfaktoren hervorgerufene Heterogenität des Workloads von Studierenden eine quantitative Forschung eher schwierig zu gestalten ist. Will ein spezifischer Studiengang, oder gar eine einzelne Veranstaltung untersucht werden, so eignen sich die oben genannten Tools für eine qualitative Momentaufnahme.

Zu den gewonnenen Erkenntnissen zählen zum einen, dass die Belastung von Studierenden nicht gleichmäßig über das Semester verteilt ist, sondern es besonders zum Ende des Semesters und mit dem Aufkommen von Prüfungen zu einem erhöhten Arbeitsaufwand kommt (vgl. Müller 2013: 77).

Jedoch ist zu betonen, dass es auch auf das einzelne Individuum und den jeweiligen Studiengang ankommt, wie ausgeprägt der Workload ist. Besonders auf letztere beiden Aspekte wird im Folgenden genauer eingegangen.

… dem Studiengang

Es stellten sich drei besondere Einflussfaktoren heraus, die sich auf den Arbeitsaufwand von Studierenden auswirken. Dazu zählt zum einen die Streuung zwischen den unterschiedlichen Studiengängen.

So hat sich im Beispiel von Metzgers Studie insbesondere die Physik, Architektur, aber auch Disziplinen wie Elektro- und Informationstechnik, Mechatronik und IT Security als besonders anfällig für erhöhten Workload herauskristallisiert (vgl. Metzger 2013: 144).

Zusätzlich wäre hier zu hinterfragen, ob dieses Phänomen wiederum von Hochschule zu Hochschule variiert.

…den einzelnen Modulen und Veranstaltungen

Weiterhin wird auf die Streuung zwischen den einzelnen Modulen bzw. Veranstaltungen hingewiesen. So ist nach Metzger zu erkennen, dass „ein Großteil der Studienzeit in wenigen Modulen bzw. Veranstaltungen erbracht wird“ (Metzger 2013: 145). Ob das auf ein erhöhtes Interesse der Studierenden oder auf erhöhten Druck von Anforderungen zurückzuführen ist, bleibt hier allerdings ungeklärt.

Zuletzt stellt das einzelne Individuum selbst einen Einflussfaktor dar. Besonders beeinflussend wirkt sich das auf die Selbstlernzeit aus. Was die einzelnen Faktoren sind, die die Selbstlernzeit eines Individuums beeinflussen, wird in der genannten Literatur jedoch nicht weiterverfolgt. Es ist zu vermuten, dass verschiedene Variablen wie Charaktereigenschaften, aber auch zeitgleiches gesellschaftliches Engagement, das Nachgehen einer Arbeit oder die soziale Herkunft eine Rolle spielen.

In Hinblick auf einen angemessenen Workload ist darauf hinzuweisen, dass es für Studierende, besonders in einem Online-Semester, wichtig ist, dass sich Kolleg*innen untereinander absprechen. Sollte sich in einem Modul ein zu hoher Workload darlegen, so wird von den Studierenden automatisch der Fokus auf dieses Modul gelegt. Fächer, die im Vergleich dazu einen etwas niedrigeren Workload vorweisen, sind damit weniger priorisiert. Deshalb ist eine Absprache unter Kolleg*innen wichtig, damit die Studierenden die Module gleichermaßen bearbeiten können.

Damit Sie den Workload Ihrer Studierenden passgenau einschätzen können, finden Sie hier eine gekürzte sowie eine ausführlichere Darstellung eines Fragebogens , dessen Elemente Sie für Ihre Befragung verwenden können.

Mit der Hilfe dieser verkürzten Umfrage können Sie gezielt erfahren, wie Ihre Studierenden die Bearbeitung einer Aufgabe empfunden haben. Nach der Auswertung der Befragung wissen Sie dann, wie Sie bei der nächsten Aufgabenstellung vorgehen können.

Die Befragung können Sie beispielsweise über Tools wie Pingo, Mentimeter oder Ihren Moodle-Kurs benutzen. Ebenso ist es möglich, Ihre Studierende einfach mündlich zu fragen oder die Befragung in Form eines One-Minute-Papers zu gestalten.

Um die Motivation Ihrer Studierenden hoch zu halten, ist es umso wichtiger, dass Sie den Studierenden das Ergebnis zurückspiegeln. Aber nicht nur die Darstellung der Ergebnisse der Umfrage ist von Bedeutung, sondern auch Ihre Reaktion darauf. Wenn der Befragung zu entnehmen ist, dass der aktuelle Workload als zu hoch empfunden wird, dann ist es wichtig, dass Sie darauf reagieren, damit die Studierenden weiterhin motiviert bleiben, an einer solchen Umfrage teilzunehmen.

Wer methodisch weitergehen und sich mit Forschungsfragen auseinandersetzen möchte, findet im nächsten Abschnitt den Verweis zu tiefergehenden Fragebogeninventaren.

Dazu zählt zum einen der Fragebogeninventar zur Erfassung der studienbezogenen Lernzeit (FELZ) der FU Berlin. Hierbei handelt es sich um ein Instrumentarium, das insgesamt drei Fragebögen umfasst. Ein Wochenbogen, in welchem die Studierende innerhalb der Vorlesungszeit den täglichen Zeitaufwand der studienbezogenen Leistungen festhalten. Denselben Fragebogen gibt es für die vorlesungsfreie Zeit, mit dem Unterschied, dass es um eine wöchentliche Erfassung der studienbezogenen Tätigkeiten geht.

Weiterhin ist ein personenbezogener Fragebogen Teil des Instrumentariums, sodass auch soziodemografische Merkmale miteinbezogen werden können (vgl. Müller 2013: 76).

FELZ Wochenbogen für die Vorlesungszeit

FELZ Fragebogen für die vorlesungsfreie Zeit

FELZ personenbezogener Fragebogen

Im Gegensatz zum FELZ-Projekt, handelt es sich bei dem sogenannten „ZEITLast-Projekt“ um ein Online-Tool, indem über fünf Monate eines Semesters hinweg die Studierenden ihre täglichen Tätigkeiten dokumentieren, unabhängig vom Stattfinden von Vorlesungen.

Eine Auseinandersetzung mit dem studentischen Arbeitsaufwand und die Anpassung der Lehre im Nachhinein soll die Zufriedenheit mit dem Studium stärken und den Studierenden eine möglichst angemessene studentische Arbeitszeit bringen, mit der sie ihr Studium gestalten können.

Baeten, M., Kyndt, E., Struyven, K., & Dochy, F. (2010). Using student-centred learning environments to stimulate deep approaches to learning: Factors encouraging or discouraging their effectiveness. Educational research review, 5(3), 243-260.n,

Hochschuldidaktische Arbeitsstelle (2021). Tabellenband Studierendenbefragung 2021. (wird in neuem Tab geöffnet) Zugriff am 31.03.2022.

Kember, David (2004). Interpreting student workload and the factors which shape students' perceptions of their workload. Studies in Higher Education, 29 (2), 165-184.

Metzger, Christiane (2013). Zeitbudgets zur Untersuchung studentischer Workload als Baustein der Qualitätsentwicklung. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 8 (2), 138-156.

Müller, Stefen (2013). Workload-Erfassung als Baustein im universitären Qualitätsmanagement. Zeitschrift für Qualitätsentwicklung in Forschung, Studium und Administration, 7, 75-83.

Müller, Stefen (2014). Was kostet ein Punkt bei Ihnen, bitte?. Workload an der TU Kaiserslautern. Kaiserslautern: Zentrum für Lehrerbildung.