Umgang mit mobilen Endgeräten in Lehrveranstaltungen
08.08.2024
Mobile Geräte lenken ab, bieten aber auch didaktische Chancen. Welche Regeln und Strategien helfen, die Balance zu finden?
Die Forschungsergebnisse zur Omnipräsenz mobiler Endgeräte in Lehrveranstaltungen machen deutlich, dass sowohl unerwünschte Effekte damit einhergehen als auch Chancen für den Lernprozess existieren. Insofern besteht also ein didaktischer Reaktionsbedarf auf Seite der Lehrenden.
Bei der Abwägung der Reaktionen müssen auch allgemeine Wertvorstellungen universitärer Bildung herangezogen werden. Bedeutsam ist hierbei die Erwartung, dass universitäre Bildung von Studierenden immer auch Eigenverantwortung, Selbständigkeit und kritisches Denken verlangen muss bzw. dies ein wesentliches Bildungsziel von Hochschulen darstellt (Kreber 2011, 94ff). Wright beschreibt die Anforderung an Lehrende so, dass sie Respekt vor der studentischen Autonomie haben müssen (Wright, 2016, 9). Das Verhältnis von Lehrenden zu Studierenden darf daher kein paternalistisches sein, sondern es müssen sich in der Lehrveranstaltung Erwachsene begegnen können, die jeweils das Recht auf eigenständige Entscheidungen haben. Des Weiteren muss die strukturelle Vielfalt von Lehrveranstaltungen beachtet werden, was z.B. aufgrund der unterschiedlichen Größe, der Fachkultur oder der Lernziele Auswirkungen auf den Umgang mit mobilen Endgeräten in Lehrveranstaltungen haben kann.
Vorschläge, Appelle und Einschränkungen
Betrachtet man die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur digitalen Ablenkung in Lehrveranstaltungen, dann können Sie als Lehrende durchaus gut begründen, dass digitale Nebenaktivitäten unerwünscht sind. In anderen Bereichen der Lehrveranstaltung erscheint es ja auch legitim, verbindliche Regeln zu setzen, z.B. bei Pünktlichkeit und störenden Unterhaltungen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, dass soziale Kontrolle zu geringerer Wahrscheinlichkeit von Nebenaktivitäten bei Studierenden führt (Rana et al, 2019), ermuntern dazu, einen solchen Rahmen auch mutig zu setzen und mehrfach darauf hinzuweisen. In kleineren Vor- Ort-Lehrveranstaltungen, wo Sie Studierende gut im Blick haben, ist dies sicher realistischer durchzusetzen als in Großveranstaltungen. Da jüngere Studierende noch stärker zu Nebenaktivitäten neigen als ältere, ist die klare Regelsetzung in Bachelorveranstaltungen der Studieneingangsphase besonders sinnvoll.
Alternativ können Sie die Studierenden mehrfach im Semester an die Folgen digitaler Ablenkung für Aufmerksamkeit, Behalten und Prüfungsleistungen erinnern und an ihre Eigenverantwortung appellieren. Ermuntern Sie z.B. die Studierenden, Smartphones außer Sichtweite zu legen, bestimmte Apps zu blockieren oder den Flugmodus einzustellen, um Ablenkung zu vermeiden. Wesentlich ist auch der Hinweis, dass das Stören von Kommiliton*innen durch ablenkende Bilder – im schlimmsten Fall Online-Spiele – vermieden werden muss. Ermutigen Sie die Studierenden auch, sich gegenseitig darauf aufmerksam zu machen, wenn sie digitale Aktivitäten auf den Screens umliegender Studierender ablenken.
In Großveranstaltungen sind auch Nutzungszonen denkbar. Studierenden, die ungestört der Lehrveranstaltung folgen wollen, sitzen in der vorderen Hälfte. In der hinteren Hälfte des Raumes entscheiden Studierende spontan, welche Teile der Vorlesung für sie relevant sind.
In einzelnen Phasen einer Lehrveranstaltung, etwa wenn Studierende miteinander diskutieren sollen oder per Hand an Objekten etwas erstellen, können Lehrende Studierende auch bitten, sämtliche mobilen Endgeräte für eine Weile wegzuräumen, um sich voll auf die Aktivitäten konzentrieren zu können.
Ermuntern Sie durchaus ihre Studierenden auch, sich handschriftlich Notizen zu machen. Es hat sich erwiesen, dass handschriftliche Notizen durchschnittlich detaillierter sind als digitale Notizen und zu einer dauerhafteren Erinnerung führen (Kostić& Ranđelović, 2022).
Bei allen Varianten existiert das grundsätzliche Spannungsfeld zwischen klaren, didaktisch begründeten Vorgaben mit der erwünschten Eigenverantwortung und Autonomie der Studierenden. Ziel ist es, eine lernförderliche Atmosphäre zu kreieren, wo Studierende sich gut konzentrieren können und gleichzeitig die Entwicklung von Studierenden zu „kritischen Persönlichkeiten sowie zu verantwortungsvollen Mitgliedern“ (TU Darmstadt 2009, 2) von Hochschule und Gesellschaft zu fördern. Gleichzeitig ist die universitäre Lehrveranstaltung (viel stärker als Schule) ein Angebot, bei dem Studierende für sich entscheiden können, was sie für sich nutzen und was nicht. D.h. Lehrende müssen akzeptieren, dass Studierende in ihrer Lehrveranstaltung eigenverantwortliche Entscheidungen treffen und so ggf. nicht immer aufpassen, sich um andere Sachen kümmern oder am Smartphone spielen.
Lehrende sollten für ihre jeweiligen Lehrveranstaltungen eine klare Rollenvorstellung entwickelt haben, wie strikt oder aushandelnd sie agieren.