Smartphones und Co. in Lehrveranstaltungen

Hoffnungen und empirische Erkenntnisse

Die zunehmende Verbreitung von mobilen Endgeräten (vgl. Abbildung 1) bringt es mit sich, dass die Studierenden ihre privaten Laptops, Tablets und vor allem Smartphones in fast alle Alltagssituationen integrieren und nutzen. Dies war schon vor der Corona-Pandemie so und wird sich durch die (zwangsläufig) stärkere Betonung des Digitalen eher noch verstärken. So sind auch in universitären Lehrveranstaltungen mobile Endgeräte omnipräsent und zwar zunächst einmal als Nutzungsgegenstand, der originär keine direkte Verbindung zur Lehrveranstaltung hat.

Abbildung 1: Anzahl der Smartphone-Nutzer in Deutschland 2009-2018 (in Millionen) (Quelle: Statista)
Abbildung 1: Anzahl der Smartphone-Nutzer in Deutschland 2009-2018 (in Millionen) (Quelle: Statista)

Die Integration mobiler Endgeräte in fast alle Alltagssituationen hängt damit zusammen, dass sie Nutzer_innen eine wahrgenommen unbegrenzte Palette an Funktionen bieten, die (aus Sicht des/der jeweiligen Nutzer_in) sowohl in beruflichen als auch privaten Kontexten hilfreich sind (vgl. Ruiz-Palmero et al. 2019, 193).

Für Lehrveranstaltungen bedeutet dies ganz grundsätzlich, dass mobile Endgeräte das Verhalten von Studierenden mitbestimmen. Aufseiten von Lehrenden bestehen dabei Erfahrungen und oder Befürchtungen, dass mobile Endgeräte die Studierenden ablenken (vgl. Schmidt, Goertz & Behrens 2017, 27), dem gegenüber gilt seit längerem die Digitalisierung in der Lehre und damit auch der Einsatz von mobilen Endgeräten in Lehrveranstaltungen als ein zentrales und wichtiges Zukunftsfeld in der Weiterentwicklung der Hochschullehre (vgl. schon Quibeldey-Cirkel 2018;Wannemacher 2018). Es scheint also ein Spannungsfeld zu geben und es stellt sich die Frage des guten (d.h. für den Lernprozess der Studierenden unterstützenden) Umgangs mit mobilen Endgeräten in Präsenzveranstaltungen. Im Folgenden werden dazu zunächst Erkenntnisse zur Nutzung mobiler Endgeräte in Lehrveranstaltungen dargestellt, um darauf aufbauend zu diskutieren, welche Schlüsse hieraus für den didaktischen Umgang mit mobilen Endgeräten gezogen werden können. Diese Erkenntnisse stammen zwangsläufig aus der Zeit vor 2020. Die Einstellungen aufseiten der Lehrenden zu und die Akzeptanz von digitalen Endgeräten wird sich vermutlich durch die Erfahrungen mit dem Digitalisierungsschub 2020/2021 verändert haben. Nichtsdestotrotz thematisiert die empirische Forschung viele Aspekte, die aus hochschuldidaktischer Sicht nach wie vor relevant sind.

Nähert man sich dem Thema der mobilen Endgeräte aus einer positiven Erwartungshaltung heraus, so lässt sich zunächst beobachten, dass viele Lehrende und Studierende mobile Endgeräte auf produktive Weise in den Lehrveranstaltungen nutzen. Anwendungsbeispiele dafür sind z.B. das Verfassen von Notizen, die begleitende Rezeption von Präsentationsfolien, Foto-Dokumentation, Nutzung als Arbeitswerkzeug in Gruppenarbeiten, als Medium für die Teilnahme an Live-Abstimmungen oder als kollaborative Online-Werkzeuge. Vor diesem Hintergrund betonen medien- und hochschuldidaktische Diskussionen das große Potenzial, welches mobile Endgeräte für eine didaktische Weiterentwicklung der Hochschullehre bieten (vgl. Wannemacher, 2018, 756ff). Am sichtbarsten sind dabei die Überlegungen und Auswertungen zum Einsatz von Audience-Response-Systemen und die damit verbundenen möglichen Lehr-Lernszenarien (vgl. Brunhuber & Prey, 2018; Quibeldey-Cirkel, 2018), nicht zuletzt Praxisbeispiele zeigen aber auch eine Vielzahl darüber hinaus denkbarer Anwendungen. Hervorgehoben wird insgesamt, dass die Integration mobiler Endgeräte in Lehrveranstaltungen das Potenzial hat, die Aufmerksamkeit, die Aktivität und somit letztendlich den Lernerfolg der Studierenden positiv zu unterstützen. Diese didaktischen Bestrebungen treffen auf ein Umfeld, in dem strategisch versucht wird, die Digitalisierung an Hochschulen voranzutreiben (vgl. KMK 2016) und einen Kontext, in dem die Voraussetzungen, mobile Endgeräte in das didaktische Repertoire zu integrieren an Universitäten und Hochschulen vergleichsweise gut sind. Die notwendige technische Ausstattung samt technischer Unterstützungsinfrastrukturen wird bei vielen Hochschulen als gut eingeschätzt und auch die Studierenden sind im Allgemeinen technisch gut ausgestattet (vgl. Schmidt et al., 2017, 14ff).

Empirisch wird das Phänomen „mobile Endgeräte in universitären Lehrveranstaltungen“ unter den verschiedensten Blickwinkeln untersucht. Für die Frage des didaktischen Umgangs mit mobilen Endgeräten spielen vor allem folgende Erkenntnisse eine wichtige Rolle:

Zur Frage der tatsächlichen Nutzung von mobilen Endgeräten in Lehrveranstaltungen existieren nur wenige empirische Untersuchungen. In Bezug auf klassische Vorlesungen arbeiten Gehlen-Baum & Weinberger (2014, 178) in ihrer Studie von insgesamt 21 Vorlesungen aus unterschiedlichen Fächern (Erziehungswissenschaften, Informatik und Betriebswirtschaftslehre) heraus, dass mobile Endgeräte überwiegend lehrveranstaltungsfern genutzt werden. Im Ergebnis zeigen sie auf der Grundlage von Videobeobachtungen, dass Nutzungen mobiler Endgeräte zu weniger als einem Drittel lehrveranstaltungsbezogen sind. Sie zeigen weiter, dass faktisch über die gesamte Vorlesung hinweg, Studierende mobile Endgeräte mehr mit vorlesungsfernen als mit vorlesungsnahen Aktivitäten nutzen. Auffällig ist dabei, dass in der zweiten Hälfte von Vorlesungen die vorlesungsferne Nutzung noch einmal zunimmt (ebd., 179; vgl. auch Gehlen-Baum, 2017, 124).

Die Nutzung von mobilen Endgeräten sagt dabei noch nichts darüber aus, ob Studierende prinzipiell mehr Zeit in der Vorlesung mit vorlesungsnahen oder mit vorlesungsfernen Aktivitäten verbringen, sondern trifft nur eine Aussage über die Nutzung der mobilen Endgeräte. Tatsächlich ist die Bedeutung vorlesungsferner Aktivitäten sehr schwer zu bestimmen, weil bestimmte vorlesungsnahe Aktivitäten (z.B. zuhören) nur schwer eindeutig zu beobachten sind. In Befragungen von Studierenden geben diese an, dass vorlesungsnahe Aktivitäten („zuhören“, „über Inhalte nachdenken“, „Dozenten/Kommilitonen Fragen stellen“) insgesamt deutlich überwiegen (vgl. Gehlen-Baum, 2017, 122), allerdings betont Gehlen-Baum mit Verweis auf frühere Studien, dass Selbsteinschätzungen von Studierenden nur wenig valide Ergebnisse liefern (ebd., 269), sodass dies auch dazu führt, dass die Beschäftigung mit vorlesungsfernen Aktivitäten deutlich unterschätzt werden kann.

Die Nutzung mobiler Endgeräte betrifft nicht nur die Nutzenden selbst. Bildschirme von Smartphones, Tablets und Laptops sind auch für Kommiliton_innen sichtbar. Dabei zeigen Sana et al. (2013, 29), dass Studierende erheblich auch durch lehrveranstaltungsferne Nutzung von mobilen Endgeräten anderer Studierende abgelenkt und in ihrem Lernerfolg beeinträchtigt werden.

Ganz allgemein muss aber bei der Nutzung mobiler Endgeräte differenziert werden. Zunächst einmal variiert die Häufigkeit der verschiedenen Nutzungen. Bedeutsame lehrveranstaltungsferne Aktivitäten sind nach der Untersuchung von Gehlen-Baum (2017, 189) die Folgenden:

  • 1. das Surfen auf Webseiten (beobachtete Nutzung bei 82% der Studierenden in den Vorlesungen)
  • 2. die Nutzung sozialer Netzwerke (70%)
  • 3. Beschäftigung mit E-Mails (38%)
  • 4. Spielen /Videos (je 26%)

Hierbei muss weiter differenziert werden, dass nicht jede lehrveranstaltungsferne Nutzung gleichstark die Aufmerksamkeit anderer beeinträchtigt. Deutlich wurde in Untersuchungen, dass etwa Spiele deutlich stärker die Aufmerksamkeit fesseln als z.B. Emails-Beantworten (vgl. Gehlen-Baum 2017, 127; Gehlen-Baum & Weinberger 2014, 180). Dies erklärt sich ganz allgemein schon damit, dass bewegte Bilder deutlich stärker die Aufmerksamkeit anderer auf sich ziehen (vgl. Sana et al. 2013, 25). Einschränkend kann hierbei eingewandt werden, dass im Vergleich der verschiedenen mobilen Endgeräte eine Verschiebung zulasten von Laptops und Tablets hin zu Smartphones zu vermuten ist und die kleinere Bildschirmgröße die Ablenkung anderer Kommiliton_innen verringern würde. Allerdings zeigt sich unter anderem in einer Untersuchung spanischer Universitäten, dass unter den Studierenden die Nutzung von Notebooks und Tablets immer noch einen sehr hohen Stellenwert hat (Ruiz-Palmero et al., 2019) und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese in Lehrveranstaltungen keine Rolle mehr spielen.

Anhand der Untersuchung von Gehlen-Baum & Weinberger (2014) zu Lehraktivitäten und der Nutzung von mobilen Endgeräten durch die Studierenden zeigt sich, dass ein klarer Zusammenhang zwischen der konkreten Lehraktivität und dem Nutzungsverhalten mobiler Endgeräte aufseiten der Studierenden besteht. Kurz gesagt, je frontaler die Lehraktivität, umso wahrscheinlicher ist es, dass Studierenden „non-related“-use von mobilen Endgeräten verfolgen. Sie verweisen insgesamt auch auf den hohen Redeanteil der Lehrenden (>91%) und die problematischen Folgen eines hohen Anteils einer reinen Wissens-/Informationsdarbietung (zu wenig Strukturierung (z.B. mit Hilfe von Advance Organiser)). Weiter zeigt sich auch, dass diese unerwünschte Nutzung abnimmt, wenn die Studierenden aktiv in die Lehrveranstaltung eingebunden werden. Erfahrungen von Lehrenden, die interaktive Einheiten mit mobilen Endgeräten unterstützen lassen, z.B. bei Peer Instruction-Methoden (Brunhuber & Prey, 2018) oder allgemein bei der Nutzung von Audience-Response-Systemen (Quibeldey-Cirkel, 2018), legen ebenfalls nahe, dass durch geeignete Lehraktivitäten die lehrveranstaltungsferne Nutzung reduziert werden kann. Mobile Endgeräte der Studierenden werden hierbei in die Lehrveranstaltung integriert und der Lernerfolg gesteigert.

Zur tiefergehenden Beschäftigung mit dem Einsatz von Live-Abstimmsystemen:

  • PINGO in der Lehre – Didaktische Handreichung zu Einsatzmöglichkeiten (Online verfügbar (wird in neuem Tab geöffnet)).
  • Interaktive Präsenzlehre: Empfehlungen für den gewinnbringenden Einsatz von Audience Response Systems (ARS) in der Hochschullehre (Online verfügbar). als Übersicht
  • Beitrag „So viele Antworten – Anleitung Audience Response Systeme in der Lehre“. (Online verfügbar)

Brunhuber, M., & Prey, G. (2018). Peer Instruction mit mobilen Endgeräten in der Lehre. In C. de Witt & C. Gloerfeld (Eds.), Handbuch Mobile Learning, 841 ff, Wiesbaden: Springer.

Gehlen-Baum, V. (2017). Mobile Geräte in der Präsenzlehre. Münster: LIT.

Gehlen-Baum, V., & Weinberger, A. (2014). Teaching, learning and media use in today’s lectures. Computers in Human Behavior, 37, 171–182

Kultusministerkonferenz (KMK) (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz, Berlin

Quibeldey-Cirkel, K. (2018). Lehren und Lernen mit Audience Response Systemen. In C. de Witt & C. Gloerfeld (Eds.), Handbuch Mobile Learning (pp. 809–840). Wiesbaden: Springer.

Ruiz-Palmero, J., Sánchez-Rivas, E., Gómez-García, M., & Sánchez Vega, E. (2019). Future Teachers’ Smartphone Uses and Dependence. Education Sciences, 9(3), 194.

Sana, F., Weston, T., & Cepeda, N. J. (2013). Laptop multitasking hinders classroom learning for both users and nearby peers. Computers and Education, 62, 24–31.

Schmidt, U., Goertz, L., & Behrens, J. (2017). Monitor Digitale Bildung. Die Hochschulen im digitalen Zeitalter, Gütersloh: BertelsmannStiftung

Wannemacher, K. (2018). Mobiles Lernen an Hochschulen. Rahmungen Szenarien, Potenziale und Herausforderungen. In C. de Witt & C. Gloerfeld (Eds.), Handbuch Mobile Learning, 747ff, Wiesbaden: Springer.

Weinberger, A. (2017). Orchestrierungsmodelle und -szenarien technologie-unterstützen Lernens. In S. Ladel, J. Knopf, & A. Weinberger (Eds.), Digitalisierung und Bildung, 117ff, Wiesbaden: Springer.