Kollaborative Lernformate (digital) gestalten

Forschungsstand und Empfehlungen

Mit Gruppenarbeiten verfolgen Lehrende fachliche und überfachliche Lernziele. Ob Gruppenarbeiten jedoch erfolgreich verlaufen, hängt von einigen wichtigen Faktoren ab. Was Forschungen dazu sagen und welche digitalen Tools sowie didaktischen Ansätze kollaboratives Lernen effektiv unterstützen, erfahren Sie hier.

Hintergrund

Wie bereits im Artikel über Sozialformen angesprochen, gibt es verschiedene Formen des Zusammenarbeitens, die in unterschiedlichen Lernkontexten angebracht sind. Dabei müssen sowohl die Lernenden als auch Merkmale der Umgebung (z.B. ein digitales Lernumfeld) beachtet werden. In diesem Beitrag legen wir den Fokus auf kollaborative Lernformate, also das Lernen in Gruppen, und dabei insbesondere deren Umsetzung im digitalen Raum.

Wann ist kollaboratives Lernen geeignet?

Kollaboratives Lernen ist dann besser als individuelles Lernen geeignet, wenn die Aufgaben eine gewisse Komplexität haben (Zambrano et al., 2019). Aufgaben mit niedriger Komplexität (z.B. mit Lösungsvorschlägen) sind im Gegensatz dazu besser für individuelles Lernen geeignet (z.B. Retnowati et al., 2017). Als Lehrende sollten Sie also beachten, dass nicht alle Aufgaben gleich von Kollaboration profitieren können.

Der Schlüssel zum effektiven kollaborativen Lernen – Transaktive Kommunikation

Effektives kollaboratives Lernen zeichnet sich vor allem durch die sogenannte transaktive Kommunikation aus, die die Kollaboration zu einer äußerst konstruktiven Form des Lernens macht. Transaktiv meint, dass die Beiträge der Lernpartner:innen aufeinander aufbauen und wechselseitig Bezug aufeinander nehmen. Dabei entstehen neues Wissen und neue Denkansätze.

Das Aufeinandertreffen und Integrieren unterschiedlicher Perspektiven in (meist heterogenen) Studierendengruppen regt außerdem eine vertiefte Auseinandersetzung an, in der Fachsprache „Elaboration“ genannt. Transaktive Kommunikation aktiviert weiterhin Reflexionsprozesse zu den Lerninhalten sowie die Fähigkeit zur Formulierung (kritischer) Fragen (Chi & Wylie, 2014; Hänze & Jurkowski, 2021; Mayweg-Paus et al., 2016; Paus et al., 2012). In individuellen Lernformen hingegen sind der gegenseitige Austausch von Informationen und das Geben und Aufnehmen von Anregungen als Grundlage zur Wissenskonstruktion nicht ohne weiteres möglich (Chen et al., 2018; Hänze & Jurkowski, 2021). Ist Transaktivität gegeben, führen kollaborative Lernformen auf verschiedenen Ebenen, bzw. hinsichtlich verschiedener Ziele, nachweislich zu positiven Effekten (Chen et al., 2018; Jeong et al., 2016):

  • Lernende erwerben mehr individuelles Wissen in kollaborativen Lernformen.
  • Die Leistung der gesamten Gruppe ist besser, wenn die Kollaboration unter anderem durch Transaktivität geprägt ist.
  • Soziale Interaktionen (z.B. aufgabenbezogene Diskurse) werden in kollaborativen Lernumgebungen gefördert.
  • Durch Kollaboration erwerben Studierende nicht nur Wissen, sondern auch Fähigkeiten (z.B. Problemlösefähigkeit).
  • Affektive Wahrnehmungen (z.B. emotionale und motivationale Aspekte des Lernens), die eine Rolle für den Lernerfolg spielen, werden durch kollaboratives Lernen positiv beeinflusst.

Bei der Gestaltung kollaborativer Lernformate sollen die Potentiale der Lernumgebung mitgedacht werden: Forschungsbefunde deuten auf Unterschiede in der Wirksamkeit digitaler versus analoger kollaborativer Lernformen hin. So zeigen digitale Lernsettings stärkere Effekte auf die zuvor genannten Ziele als analoge Lernsettings (Chen et al., 2018; Kyndt et al., 2013). Eine zentrale Erklärung hierfür ist, dass digitale Umgebungen eine bessere Voraussetzung zur Unterstützung der Transaktivität beim gemeinsamen Lernen bieten, beispielsweise durch das Einbinden interaktiver, vorstrukturierender und motivierender Elemente durch digitale Tools (Chen et al., 2018; Chi & Wylie, 2014; eine Übersicht finden Sie auch hier zum Download (wird in neuem Tab geöffnet) ). Eine wichtige Empfehlung für die Gestaltung (digitaler) kollaborativer Lernsettings ist somit, die Förderung der Transaktivität mitzudenken und zu gestalten (siehe unten). Als Lehrende stehen Ihnen hier vielfältige Möglichkeiten (z.B. hinsichtlich der Gruppenzusammensetzung oder der Aufgabenstellung) zur Verfügung.

Vorteile digitaler Lernumgebungen

Neben der Förderung von Transaktivität, bei der die Beiträge der Lernenden sich aufeinander beziehen, gibt es weitere Vorteile von digitalen Lernumgebungen. Dazu gehört die zeitliche Flexibilität in der schriftlichen, asynchronen Kommunikation. Sie erleichtert es Lernenden sich vorzubereiten, zu reflektieren und die Inhalte zu verstehen (Chen & Chen, 2014). Digitale Umgebungen können zudem eine erhöhte Freiheit im kreativen Schaffensprozess begünstigen. Durch die erhöhte Anonymität werden soziale Hemmnisse (z. B. sozial ängstliche Persönlichkeiten, schüchterne Lernende und Autorität) reduziert (disinhibition effect). Lernende können daher ihre persönlichen und individuellen Sichtweisen und Anregungen gleichwertiger und selbstbewusster einbringen (Suler, 2004). Insbesondere das kritische und herausfordernde Hinterfragen der Ideen und Argumente anderer, welches oft als unangenehm empfunden wird und die Angst vor negativen Konsequenzen wie sozialer Zurückweisung steigern kann (Bathgate et al., 2015), kann so gefördert werden. Ein weiteres wesentliches Merkmal schriftlich digitaler Lernumgebungen liegt in der Speichermöglichkeit von Lern- und Kommunikationsprozessen, welche einen nachhaltigen und flexiblen Rückgriff auf die jeweiligen Inhalte erlaubt (Iordanou & Constantinou 2015; Kuhn et al., 2013). Gespeicherte Chats können beispielsweise zur Reflexion genutzt werden.

Wie müssen digitale kollaborative Lernformen gestaltet werden, damit sie effektiv sind?

Das Geheimnis gelingender digitaler Kollaboration ist, gute Bedingungen für die Entstehung von Transaktivität zu schaffen. Folgende Aspekte sind für die Effektivität kollaborativer Lernformen von Bedeutung (Chen et al., 2018; Hänze & Jurkowski, 2021; Jeong et al., 2019; Popov et al., 2017).

Ektivität kollaborativer Lernformen

Synchrone und/oder asynchrone Arbeitsphasen
Synchronizität gilt als entscheidende Voraussetzung für die Entstehung von Transaktivität.

Synchrone Settings (Videokonferenzen, Chatumgebungen) sollten also immer dann gewählt werden, wenn eine Tiefenverarbeitung der Lerninhalte durch angeregte Zusammenarbeit (z. B. das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen, durch kritisches Hinterfragen und Erklären) angestrebt wird. Asynchrone Formate (z. B. Diskussionsforen) eignen sich beim Umgang mit vielen und komplexen Informationen, da so genügend Zeit zum Vorbereiten und Planen zur Verfügung steht. So lassen sich positive Effekte je nach Lernziel sowohl für synchrone als auch asynchrone Settings erklären.
Individuelle Kommunikationsfähigkeiten
Die Fähigkeit, transaktiv zu kommunizieren (z. B. aktiv zuhören, andere Perspektiven erkunden, Argumente bilden) ist erlernbar.

Lehrende sollten soziale und kommunikative Kompetenzen in die Lehre trainieren. Dabei müssen aber die unterschiedlichen Kompetenzniveaus der Lernenden berücksichtigt werden.
Gruppenzusammensetzung
Der Lernerfolg hängt vom kognitiven Niveau und vom Vorwissen der Mitglieder einer Gruppe ab, aber auch von Aspekten wie Empathie, Sympathie und Vertrauen.

Es kann sich also insbesondere bei länger zusammenarbeitenden Gruppen lohnen, freundschaftliche Beziehungen zu berücksichtigen. Neben sozial-emotionalen Eigenschaften sind auch die Wissensvoraussetzungen und Kommunikationsfähigkeiten von Bedeutung für die Zusammensetzung der Gruppe. Allgemein gilt, dass Gruppenmitglieder sich gegenseitig beeinflussen, indem sie beispielsweise als Modell für gute transaktive Kommunikation oder als Expert*in für ein Thema gelten. In heterogenen Gruppen ist es daher besonders wichtig auf Transaktivität zu achten: So können die verschiedenen Wissensstände an die Gruppenmitglieder weitergegeben werden und es entsteht gemeinsames, geteiltes Wissen.
Aufgabenstellung
Transaktive Kommunikation (z. B. im argumentativen Diskurs) und Synergien von Wissen und Fähigkeiten (z. B. durch Aufteilung der Lerninhalte über die Lernenden), sollten durch die Aufgabenstellung angeregt werden.

Komplexe, offene Aufgabenstellungen sind für das kollaboratives Lernen vielversprechender als einfache geschlossene Aufgaben (z. B. mit Lösungsbeispielen).
Einsatz von digitalen Tools
Bedeutsam ist der Einsatz von passenden didaktischen Ansätzen und unterstützenden Tools, denn diese können die Effekte von digitalem kollaborativem Lernen erhöhen.

Allerdings sollte dies gut geplant werden, da zu viele unterschiedliche Tools die Lernenden leicht ablenken und überfordern können. Worauf man dabei achten sollte, wird im nächsten Abschnitt erläutert.

Was ist alles zu beachten?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass kollaborative Lernsettings entsprechend der Ziele für die jeweilige Gruppenarbeit gestaltet werden sollten. Neben der Beachtung zeitlicher Aspekte, der Formulierung der Aufgabenstellung sowie dem Einsatz von Tools und didaktischen Ansätzen spielen auch soziale Aspekte (wie beispielsweise Gesprächsregeln) eine Rolle bei der effektiven Gestaltung kollaborativer Lernsettings.

Durchdachter Einsatz von Tools und didaktischen Ansätzen

In der Forschung wurde untersucht, welche digitalen Tools und didaktischen Ansätze Effekte auf die verschiedenen Lernziele beim kollaborativen Arbeiten haben, also auf Wissenserwerb, Gruppenleistung, soziale Interaktion, Erwerb von Fähigkeiten und affektive Wahrnehmung (s.o.).

Untersucht wurden sogenannte Group Awareness Tools, Grafiken und Multimedia, Adaptive Systeme, Virtuelle Lernumgebungen, (erweiterte) Diskussionsforen oder Visuelle Repräsentationstools. Untersuchte didaktische Ansätze sind Instruktionen und Guidance, Peer Feedback und Assessment oder Rollenzuweisungen. Tabelle 1 (wird in neuem Tab geöffnet) beschreibt die jeweiligen in diesem Beitrag berücksichtigten Tools sowie deren Effekte, Tabelle 2 (wird in neuem Tab geöffnet) didaktische Ansätze und ihre Effekte.

Tools & Didaktik einsetzen

Wie den Tabellen 1 & 2 (hier zum Download) (wird in neuem Tab geöffnet) entnommen werden kann, können Group Awareness Tools dem Erreichen mehrerer Ziele bezüglich kollaborativer Arbeit dienen (z. B. für den individuellen Wissenserwerb, die Gruppenleistung und auch die soziale Interaktion). Group Awareness Tools, wie in Tabelle 1 beschrieben, stellen Informationen über die Gruppenmitglieder dar (z. B. über das Engagement, die Interessen, das Vorwissen, das kommunikative Verhalten), um diese dann den anderen Lernenden zur Verfügung zu stellen. So wird sukzessive ein Modell jedes Gruppenmitglieds erstellt, an dem sich die anderen beim kollaborativen Austausch orientieren können. Insofern ist es wichtig, dass die Lernenden individuelle Beiträge leisten können und sich dabei über das Wissen und die Fähigkeiten sowie die Anwesenheit / Beteiligung der Gruppenmitglieder bewusst sind.

Entsprechend zeigen sich visuelle Repräsentationstools (z.B. für die Gruppenleistung) als effektiv, wobei auch hier nicht nur die kognitive Leistung, sondern insbesondere auch die Interaktion in der Gruppe im Vordergrund stehen sollte.

Durch den Einsatz virtueller Lernumgebungen können ebenfalls mehrere Ziele bezüglich kollaborativer Arbeit adressiert werden, hier steht vor allem der Erwerb von Fähigkeiten (z.B. Problemlösen, Argumentieren) im Vordergrund.

Bei den didaktischen Ansätzen sind vor allem Instruktionen und Guidance über mehrere Ziele hinweg wirksam (z.B. Erwerb von Fähigkeiten, Wissenserwerb, soziale Interaktion). Allerdings ist diese Form der didaktischen Unterstützung auch am umfangreichsten beforscht, was bei der Interpretation der Effekte berücksichtigt werden muss.

Darüber hinaus spielen noch weitere Faktoren eine Rolle für die Effektivität kollaborativer Lernformen im digitalen Raum, nämlich die Gruppengröße (s. hierzu beispielsweise den Artikel über Sozialformen) und die verfügbare Zeit. Beispielsweise brauchen Gruppen manchmal Zeit, um sich zurechtzufinden (Fransen et al., 2013), sodass Gruppenarbeiten über mehrere Einheiten erfolgsversprechender sein können (Chen et al., 2018).

Tools und didaktische Ansätze

Wie die Forschung zeigt, wirkt sich der zusätzliche Einsatz unterschiedlicher Tools und didaktischer Ansätze auch unterschiedlich stark auf die oben genannten Ziele bezüglich kollaborativer Arbeit aus (wie auch in den Tabellen dargestellt (wird in neuem Tab geöffnet) ). Entsprechend sollte der passende Einsatz entlang der Lernziele geplant werden (zusammengefasst nach Chen et al., 2018).

Übersicht zu Tools und didaktischen Ansätzen

Individueller Wissenserwerb

Unter den Tools zeigen Group Awareness Tools und Grafiken / Multimedia die stärksten positiven Effekte auf individuellen Wissenserwerb. Aber zeigen sich auch die übrigen beschriebenen Tools wirksam – ausgenommen hiervon sind (erweiterte) Diskussionsforen. Bei den didaktischen Ansätzen sind Instruktionen und Guidance am effektivsten, dann Feedback und Rollenzuweisung. Lediglich Teacher Facilitation zeigt keine Effekte.
Gruppenleistung

Positive Effekte auf die Gruppenleistung werden durch den Einsatz aller Tools erzielt– ausgenommen hiervon sind wieder (erweiterte) Diskussionsforen. Besonders starke Effekte werden mittels adaptiven/intelligenten Systemen, virtuellen Lernumgebungen und Group Awareness Tools erreicht. Zudem wirken sich verschiedene didaktische Ansätze (Instruktionen und Guidance, Teacher Facilitation) positiv auf die Gruppenleistung aus. Auch hier sind Instruktionen und Guidance die vielversprechendste Wahl.
Soziale Interaktion

Von den genannten Tools und didaktischen Ansätze beeinflussen Group Awareness Tools, virtuelle Lernumgebungen sowie Instruktionen und Guidance die sozialen Interaktionen am meisten. Auch erweiterte Diskussionsforen, visuelle Repräsentationstools und Rollenzuweisungen erzielen positive Effekte.
Erwerb von Fähigkeiten

Am vielversprechendsten zeigen sich adaptive / intelligente Systeme und virtuelle Lernumgebungen, Grafiken/Multimedia sowie Instruktionen und Guidance (z. B. Kollaborationsskripte mit konkreten Handlungsanweisungen für den Erwerb von Argumentationsfähigkeiten (Vogel et al., 2017). Diese adaptiven Systeme oder Virtuellen Lernumgebung beinhalten verschiedene Komponenten wie Informationen über Teilnehmende, Rollen, Aktivitäten, Ressourcen oder Aufgabenverteilung (Kobbe et al., 2007)) und Peer Feedback/Assessment für den Erwerb von Fähigkeiten.
Affektive Wahrnehmungen

Im Vergleich zu den anderen Lernzielen erscheint es schwieriger die affektiven Wahrnehmungen der Lernenden mithilfe von Tools und didaktischen Ansätzen zu beeinflussen. So finden Chen et al. (2018) beispielsweise keinerlei signifikante Effekte von didaktischen Ansätzen auf dieses Lernziel. Die Effekte der Tools sind ebenfalls nicht besonders stark, aber am sinnvollsten ist hier der Einsatz von erweiterten Diskussionsforen (z. B. mit Videokonferenzen) und virtuellen Lernumgebungen.

Wie kollaboratives Lernen möglichst effektiv gestalten?

Um kollaboratives Lernen also so effektiv wie möglich zu gestalten, sollten Lehrende sich nicht nur auf die Unterstützung kognitiver Prozesse zum Erreichen fachlicher Ziele fokussieren. Soziale Prozesse (z. B. die Kommunikation innerhalb der Gruppe) sollten unbedingt beachtet werden, da sie in Kombination mit kognitiver Unterstützung (z. B. bezogen auf die Lösung der Aufgabe) am vielversprechendsten für viele Ziele bezüglich Kollaboration erscheinen. Für den geplanten Einsatz von Tools und didaktischen Ansätzen sollten die jeweiligen fachlichen und überfachlichen Lernziele und auch das Lernsetting als Ausgangspunkt gesehen werden. Dabei gilt es, eine überlegte Auswahl zu treffen und kollaborative Lernsettings nicht mit zu vielen Tools zu überfrachten.

Leitfragen für Lehrende zu kollaborativem Lernformen

Ist kollaboratives Lernen in meinem geplanten Kontext wirklich angebracht?

Kollaborative Lernformen eignen sich nicht immer. Ihr Vorteil liegt in der transaktiven Kommunikation; einer Art von Kommunikation, die aufeinander aufbaut und Bezug nimmt und so gemeinsame Wissenskonstruktion schafft. Gruppenarbeiten sind aber dennoch kein universelles Mittel, um die Lernerfolge zu erhöhen. Vielversprechend sind sie bei höherer Aufgabenkomplexität, z. B. wenn es um das Reflektieren von online Informationen oder um die Entwicklung gemeinsamer Lösungsvorschläge durch den Austausch von Informationen geht. Individuelle Lernformen sind hingegen für Aufgaben mit niedriger Komplexität (z. B. mit Lösungsvorschlägen) besser geeignet.
Wie kann ich Transaktivität fördern?

Schaffen Sie Möglichkeiten zur transaktiven Kommunikation. Transaktivität kann beispielsweise durch das Einbinden interaktiver Elemente oder durch eine Vorstrukturierung von Kommunikationsprozessen durch Arbeitsanleitungen oder vorstrukturierende Elemente gefördert werden. Gestalten Sie also Möglichkeiten für den kritischen Austausch von Informationen und Wissen, beispielsweise in Form von Diskussionsfragen oder Gegenüberstellungen. Auch die arbeitsteilige Erarbeitung einzelner Inhalte durch Gruppenmitglieder zur Vorbereitung kollaborativer Lernsituationen ist eine Form, Transaktivität zu fördern.
Welche Aspekte sollte ich bei der Gestaltung digitaler kollaborativer Lernformen beachten?

Sie können den Erfolg der Kollaboration (z. B. durch die Förderung der Transaktivität) auf verschiedenen Ebenen beeinflussen. Nutzen Sie hierfür synchrone Arbeitsphasen, individuelle Kommunikationsfähigkeiten, Gruppenzusammensetzungen, Aufgabenstellungen und den Einsatz von Tools – diese Aspekte hängen nicht nur mit dem Erfolg von Kollaboration (und damit auch mit Transaktivität) zusammen, sondern sind auch nicht getrennt voneinander zu betrachten. Da Transaktivität eine bedeutende Rolle für erfolgreiche Kollaboration spielt, sollten sie und ihre Förderung immer mitgedacht werden, wie bereits angedeutet (z. B. indem die Aufgabenstellung (s.o., Hinterfragen etc.) transaktive Kommunikation erlaubt).
Wann sind synchrone, wann asynchrone Arbeitsphasen geeignet?

Für synchrone und asynchrone Arbeitsphasen sollten Sie Ihre Ziele im Hinterkopf behalten. Wenn Sie es auf einen intensiven Austausch und die Entstehung von geteiltem Wissen abgesehen haben, eignen sich synchrone Settings besser. Wollen Sie erreichen, dass die Lernenden sich intensiv mit den Materialien auseinandersetzen und sich vorbereiten, bieten sich besser asynchrone Settings an. Auch eine Kombination aus asynchronen und synchronen Phasen ist denkbar, z. B. mithilfe eines Flipped Classrooms.
Wie sollten Gruppen zusammengesetzt werden?

Die individuellen Kommunikationsfähigkeiten sollten ebenso wie Vorwissen und Sympathien auch in Bezug auf die Gruppenzusammensetzung beachtet werden. Lernende mit viel Vorwissen und/oder transaktiven Kommunikationsfähigkeiten können als Modell/Expert*innen für die Gruppenmitglieder gelten. Da Lernende sich teilweise erst aneinander gewöhnen müssen, ist es außerdem empfehlenswert, Sympathien zu beachten oder ausreichend Zeit für die Gruppenfindung einzuplanen.
Welche Formen der Unterstützung bieten sich an?

Auch technische Tools und didaktische Ansätze können die Transaktivität und damit die Gruppenleistung unterstützen, indem beispielsweise Arbeitsprozesse oder Kompetenzprofile visualisiert werden oder die Kommunikation strukturierend angeleitet wird. Als Lehrende können Sie die vielfältigen Möglichkeiten des Digitalen also nutzen, um die Gruppenarbeit hinsichtlich sozialer und kognitiver Aspekte zu unterstützen. Wie und wofür Sie einzelne Tools und Ansätze umsetzen und anwenden können, entnehmen Sie bitte den bereitgestellten Tabellen (wird in neuem Tab geöffnet) .
Welche Ziele sollten Lehrende setzen?

Sie sollten beachten, dass Kollaboration eine soziale Interaktion ist. Es ist also zielführend, wenn nicht nur fachliche Inhalte und die damit verbundenen kognitiven Prozesse adressiert werden, sondern der Fokus ebenso auf die sozialen Prozesse gelegt wird. Planen Sie also neben dem Erreichen der kognitiven Ziele gleichzeitig Zeit für die sozialen Aspekte (wie das Festlegen von Gruppen-/Gesprächsregeln oder das Kennenlernen in der Gruppe) ein. Durch diese Kombination erreichen Sie die vielversprechendsten Effekte auf unterschiedlichen Ziele für kollaboratives Arbeiten.

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