Beispiele zum Einsatz von Storytelling
Zweite Seite des Artikels
Auch wenn die beschriebenen Gestaltungselemente transkulturell und transhistorisch in einer Vielzahl von Erzählungen wirksam sind, ist es doch nicht immer leicht, diese auf Lehrinhalte anzuwenden – zumal sich nicht alle Lehrsituationen in gleichem Maße für Storytelling-Interventionen eignen. Insofern wird im Folgenden beispielhaft gezeigt, wie dies in verschiedenen Lehrzusammenhängen erfolgreich gelungen ist.
Wissen vertiefen mit Storytelling
Zu Beginn werden Kontextgeschichten beschrieben, bei denen durch Storytelling die Relevanz oder praktische Anwendung von abstrakten Inhalten deutlich gemacht wird. So ist es voraussichtlich kaum möglich, die Infinitesimalrechnung als Story darzustellen. Aber der Streit zwischen den beiden Entdeckern Newton und Leibniz sowie die gesellschaftlichen Konsequenzen, die diese Entdeckung hatte, den Fortschritt, den sie in Architektur, Navigation und anderen Anwendungsbereichen auslöste, ist sehr gut in Form einer Story zu kommunizieren. Zudem erfahren Sie, wie die Studierenden durch partizipative und interaktive Methoden aktiv in die Erarbeitung des Lehrinhalts eingebunden werden können.
Anschließend wird dargestellt, wie bestimmte narrative Techniken wie die Etablierung einer narrativen Figur, die Anordnung der Inhalte in einer narrativen Struktur oder der Einsatz von Gapping und semantischen Objekten die Lehrinhalte selbst zu einer Story machen oder sie mit Storytelling-Elementen anreichern. Auch hier können interaktive Methoden zum Einsatz kommen.
Drei Beispiele
Lehrinhalte durch eine vorhandene oder eigene Story narrativieren
Der Einsatz von bereits existierenden Geschichten oder historischen Ereignissen ist ein einfacher, niedrigschwelliger Weg, Storytelling in der Lehre nutzbar zu machen. Es gibt aber natürlich auch die Möglichkeit, selbst Geschichten zu kreieren und den Lehrstoff in Form einer Story zu präsentieren, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen.
Zwei Beispiele
Narrative Minimalstrukturen
Die im vorherigen Absatz beschriebene narrative Minimalstruktur kann durch verschiedene Geschichten illustriert werden. Hier an den Beispielen von Romeo und Julia, Rotkäppchen sowie KurzGesagt.
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Es zeigt sich, dass eine narrative Struktur, die in archetypischen fiktionalen Erzählungen wie Märchen wirksam ist, auch in Wissenschaftsformaten und didaktischen Zusammenhängen fruchtbar angewendet werden kann – und gleichzeitig so etwas wie eine narrative Bauanleitung darstellt, mit der man auch die wissenschaftlichen Inhalte in Form von Stories kommunizieren kann.
Wissen schaffen, Lücken lassen – Gapping in der Lehre
Ein Lehrender im Bereich Werkstofftechnik berichtete in einem Storytelling-Workshop, wie er in seiner Lehre mit der Setzung von Informations-Gaps arbeitet und dies mit interaktiven Methoden kombiniert. In dem konkreten Fall ging es um die Berechnung der Belastbarkeit eines Trägerelements für den Brückenbau. Bei einer gegebenen Belastung, der das Element standhalten soll, musste die Belastungsgrenze der Verschraubungen berechnet werden. Nachdem diese berechnet wurde und das Element in einer Praxisanwendung von Studierenden entsprechend verschraubt war, wurde es zum TÜV gebracht und dort einem Belastungstest unterzogen. Das Element zerbrach, zum Schrecken der Studierenden – und auch die Brücke hätte der Belastung nicht standgehalten. Der Lehrende benutzte nun in folgenden Seminaren das zerbrochene Element im Sinne eines semantischen Objekts, das hier den Fehler der Berechnungen versinnbildlichte.
Bruch im Trägerelement als semantisches Objekt
Bei der Herstellung eines Modells für den Brückenbau ist Studierenden ein Fehler unterlaufen: Berechnungen zur Belastbarkeit eines Trägerelements wurden zwar vorgenommen. Aber nicht korrekt ausgeführt und das Objekt zerbrach beim Belastungstest. Fortan wurde es zur Verdeutlichung eines fehlerhaften Rechenwegs genutzt.
Den Studierenden der nächsten Veranstaltung wurde das zerbrochene Element gezeigt, der Rechenweg der anderen Studierenden dargestellt und die Frage gestellt, wo der Fehler in lag. Die Lösung war, dass die Studierenden der ersten Gruppe die Länge der Schrauben als Grundlage für die Belastungsgrenze angenommen hatten. Sie hätten aber den Durchmesser der Schrauben als Bezugsgröße verwenden müssen. Mit dem Kontext der möglichen Konsequenzen einer praktischen Anwendung -dem Einsturz einer Brücke- wurde ein spannender Konflikt mit Fallhöhe etabliert und die Studierenden konnten im Sinne einer motivierenden Ermittlungsgeschichte den Fehler identifizieren, die Gaps füllen und den richtigen Rechenweg bestimmen.
An den dargestellten Beispielen zeigt sich, dass die von Friedmann (2019a) identifizierten Elemente des narrativen Gestaltens auch in der Hochschullehre fruchtbar gemacht werden können. Durch kreativen Gebrauch narrativer Techniken kann die Lehre gewinnen und das Lernen nachhaltiger gestaltet werden.
