Bildung für nachhaltige Entwicklung in Lehre integrieren

Die UNESCO weist darauf hin, dass BNE auf keinen Fall auf einzelne Lehrveranstaltungen beschränkt sein darf. Es muss sowohl eine ganzheitlich transformative Pädagogik als auch der ganzheitlich institutionelle Ansatz gelebt werden. Lesen Sie hier, was das für die Lehre bedeutet.

Umsetzung von nachhaltigen Lebens- und Arbeitsformen

ALLE Akteur*innen einer Bildungsinstitution tragen zur Umsetzung von nachhaltigen Lebens- und Arbeitsformen im Sinne der Agenda 2030 bei. Das sind neben einzelnen Lehrpersonen die Hochschule als Institution, die lokalen Behörden und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft.

Die folgenden Aspekte orientieren sich an sieben Schritten, welche von der AG Lehre des Bündnis nachhaltige Hochschulen (A) 2022 für den tertiären Sektor weiterentwickelt wurden:

  • Für Hochschullehrende ist es wichtig, sich am gesellschaftlichen Diskurs zu einer Strategie zu Nachhaltigkeit zu beteiligen: auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene.
    Gleichzeitig ist es für Lehrende wichtig folgenden Fragen zu reflektieren und sich dazu weiterbilden:
    • “Was bedeutet Nachhaltigkeit für mich persönlich?
    • Wie sieht mein persönlicher Alltag aus?
    • Welche Emotionen löst das Thema Klimakrise bei mir aus?”.
  • Alle Fachrichtungen einer Hochschule und damit auch alle Lehrveranstaltungen können Impulse rund um das Thema Nachhaltigkeit liefern. Es ist wichtig, dass Sie als Hochschullehrende ihren konkreten Beitrag in jeder Lehrveranstaltung definieren.
  • Gefördert wird u. a. Kreislaufdenken (und -handeln; “cradle to cradle” (also von der ersten Idee bis hin zur Entsorgung), Reflexion des persönlichen ökologischen Fußabdruck und Handabdrucks sowie Optionen für nachhaltiges Handeln im eigenen Alltag (siehe auch https://www.handprint.in sowie https://www.climateinteractive.org/climate-action-simulation/).
  • Nehmen Sie die Perspektive der Studierenden ein und gestalten Sie die Lehre aus dieser Haltung heraus dialogisch und studierendenzentriert. Anregende Fragen für das Erschließen dieser Perspektive sind folgende:
    • Welche Fragen beschäftigen diese aktuell?
    • Wie sehen sie ihre Zukunft?
    • Welche Freuden und Ängste bewegen sie?
    • Was kann gemeinsam Stärkendes unternommen werden und welche Methoden inkl. Elemente wie Peer Learning können dafür eingesetzt werden?
  • Inter- und transziplinäres Handeln ist sowohl auf Ebene einzelner Lehrveranstaltungen als auch bei Lehrprojekten sowie übergreifenden Angeboten für alle Studierenden wichtig.
  • Der Campus ist ein Lernort verschiedener Akteur*innen. Kontakte mit verschiedenen Stakeholdern aus dem unmittelbaren Umfeld einer Hochschule sind bedeutsam für einen nachhaltigen Ansatz. Die Herausforderungen dieser Akteur*innen sind in die didaktischen Konzepte von Lehrveranstaltungen aufzunehmen. Ansätze wie Problem Based Learning, Service Learning, Citizen Science usw. (siehe dazu auch diese hilfreiche Unterlage (wird in neuem Tab geöffnet)) integrieren die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen..
  • Im Sinne eines “Learning out loud” bzw. “Science out loud”, also sowohl den Prozess als auch (Zwischen)Ergebnissen von Lernprozessen öffentlich zu machen sowie sich von verschiedensten Stakeholdern Inputs und Rückmeldungen zu holen, einen intensiven Dialog und Diskurs voranzutreiben (inkl. Ansätze von Open Science / Open Educational Resources) werden Lernprozesse und deren (Zwischen)Ergebnisse öffentlich und transparent gemacht.

Ebenso wichtig ist als Lehrperson die Reflexion und kontinuierliche Weiterentwicklung hochschuldidaktischer Kompetenzen – setzen Sie sich in Ihrer Hochschule dafür ein, dass es dazu vielfältige Bildungs- und Beratungsangebote gibt.

BNE als erweiterte Lehr- und Lernformen

BNE gibt Impulse für die Konzeption sowie Weiterentwicklung von Lehrveranstaltungen und Curricula (siehe auch “Selbstreflexion BNE”). Folgende Fragen regen dazu an:

  • Welche “noch nicht nachhaltigen” Situationen müssen transformiert werden?
  • Welche Stakeholder sind relevant?
  • Bei welchen konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen kann mein Fachgebiet einen analytischen, methodischen oder gestalterischen Beitrag leisten?

Mögliche Ansatzpunkte und Methoden:

  • Arbeiten mit Fallbeispielen, wobei diese im Verlauf einer Lehrveranstaltung auch von Studierenden selbst zusammengestellt werden können, auch als Aspekt des Peer-Learning, wo sich Studierende gegenseitig mit Aufgabenstellungen herausfordern, aus persönlichen Komfortzonen zu treten um über sich selbst hinauszuwachsen
  • Szenarienmodelle zum Klima, zum wirtschaftlichen Wandel, zur Demografie etc. in angemessener Tiefe verstehen, nachmodellieren, visualisieren, bekannt machen
  • Coding-Challenge z. B. zu Klimastatistik
  • die freiwilligen Berichte des eigenen Landes an die UNO zur Umsetzung der Agenda 2030 mit den Schattenberichten der Zivilgesellschaft vergleichen
  • Analyse / Zusammenfassung / Kuratieren von Texten (Videos, Audios…) zur Klimakrise
  • Optionen zu “fast-food” sind „nachhaltige Ernährungspläne“ wie Planetary Health Diet
  • Analyse von Stadt- / Verkehrsentwicklung in Bezug auf Biodiversität, Klima, gesellschaftlichen Status, Gesundheit, Steuereinnahmen
  • Interviews mit Expert*innen, z.B. eine Anleitung zu “Dialogue Interviews”
  • Mit dem “Eisberg” systemische Strukturen analysieren
  • Erstellung von BNE-Materialien (im Idealfall OER) zum Themenfeld, also u. a. Texte, Grafiken, Statistiken, Audios, Videos, multimediale Materialien genauso wie methodische Ansätze.

Die Förderung der Auseinandersetzung mit Emotionen in Zusammenhang mit der Klimakrise und damit verbundenen sozialen Verwerfungen ist eine wichtige Aufgabe Lehrender. Dazu braucht es sichere Zonen, in denen Studierende mit vielfältigen Methoden und in einem intensiven Peer-Dialog und Austausch mit Lehrenden arbeiten können. Dabei geht es um den Umgang mit dem Gefühl, an der aktuellen Situation der Welt bis zu einem gewissen Grad mitverantwortlich zu sein, und durch die Art und Weise der Lebensführung, zu einer Ausbeutung von Ressourcen und Menschen besonders in den Ländern des Südens beizutragen.

„Sichere Zonen“ werden u. a. durch Methoden und Phasen eines intensiven gegenseitigen Kennenlernens gefördert, ebenso durch Impulse, eigene Sozialräume auf eine intensive Weise (gemeinsam) kennen zu lernen und dort Handlungsoptionen zu entdecken. Gleichzeitig geht es um eine gezielte Wahrnehmung eigener Stärken als Ressourcen, die Konkretes von Optimismus geprägtes Denken und Handeln auf den Weg bringt.

Eine möglichst große Bandweite an didaktischen Interventionen ist hilfreich für verschiedene Lernphasen, Reflexions- und Gruppenprozesse. Spielerische Ansätze (siehe etwa diese Sammlung (wird in neuem Tab geöffnet)) bzw. Methoden aus dem Applied Drama (siehe z. B. diese Sammlung (wird in neuem Tab geöffnet)) oder der Angewandten Improvisation (wird in neuem Tab geöffnet) ermöglichen es sich einem in jeder Hinsicht schweren und komplexen Themenfeld auch mit der nötigen Prise an Humor und Leichtigkeit anzunähern und dabei sehr gezielt nicht nur auf eigene Fähigkeiten zu blicken, sondern auch auf Handlungsoptionen, die sich durch eine gemeinsame Vorgehensweise mit anderen Lernenden ergeben.

Übung zur Selbstreflexion

Grundidee:

Für Lehrende: Deine Lehrveranstaltung hat noch keinen Bezug zur Agenda 2030? Entdecke diesen zusammen mit den Studierenden!

Arbeite mit bestehenden Materialien und öffne gemeinsam mit den Studierenden den Blick für die SDGs: Schaffe bewusst Raum für eigene Betroffenheit, Irritation, Freude, Einschätzung, Assoziationen: Wenn eine Statistik als Lernmaterial zum Einsatz kommt (auch als Ergebnis der Recherche von Studierenden): Eröffne Raum, um die Zahlen wirken zu lassen. Diskutiert die Frage, wie die Welt aussähe, wenn es überall gleich wäre? Recherchiere mit den Studierenden nach Materialien – vor allem auch best practice Beispiele -, die dazu beitragen, einzelne SDG besser zu erfüllen. Diskutiere mit den Studierenden die gefundenen Quellen. Welche könnten die Fridays oder Students for Future einsetzen? Lass die Studierenden anschließend eine Protesttafel auf Karton schreiben, so wie das Demonstrierende tun.

Ins Tun kommen:

  • Arbeite mit dem Flyer “Tu Du’s für dich und die Welt” (wird in neuem Tab geöffnet). Sucht und visualisiert davon ausgehend im Verlauf der Lehrveranstaltung gemeinsam Bezüge zu den SDGs (Empfehlung: Arbeiten in Lerntrios, die sich gegenseitig begleiten). Unterstütze Lernende dabei, für die jeweils kommende Woche konkrete Umsetzungsschritte (“auf den Weg machen” ohne Anspruch auf “alles jetzt und hier lösen”) zu finden, umzusetzen, zu reflektieren, Ergebnisse einander vorzustellen bzw. ebenso öffentlich zu präsentieren.
  • Als Teil: Welche Erfahrungen in Bezug auf Nachhaltigkeit haben sich in der letzten Woche ergeben und was kann getan werden, damit mindestens zwei weitere Menschen eine ähnlich positive Erfahrung machen können? Welche weiteren relevanten Akteure aus dem Umfeld der Hochschule könnten den Effekt im Sinn der Weiterverbreitung noch verstärken?

Weitere Impulsfragen für Lehrende und Lernende…

Allgemeine Frage:

  • Was hat die Lektüre (lesen / hören / sehen von Materialien) mit dir gemacht: Kognitiv, emotional, dein eigenes Handeln betreffend?
  • Wenn du eine Umfrage entwickelst, etwa als Einstieg in eine Lehreinheit: Wie würdest du selbst darauf antworten? Was vermutest du, wie deine Studierenden darauf antworten werden? Also z.B. Wie sehen deine Studierenden ihre Hochschule, ihre Regierung, ihre Zukunft?
  • Was könntest du zur Verbreitung dieses wichtigen Themas über die Lehrveranstaltung / die Hochschule hinaus beitragen? z.B. erzähle drei Personen aus deinem Umfeld von deiner Lektüre, vom Diskurs, der dadurch entstanden ist
  • Gehe Personen in deinem Umfeld durch: Wer könnte Interesse an deinen Materialien / deinem Lernergebnis haben?
  • Welche ganz konkreten Handlungen, die sich innerhalb der nächsten 72 Stunden zumindest ansatzweise beginnen lassen, folgen aus der Lehrveranstaltung?

Fragen in Bezug auf das eigene Verhalten:

  • Wann hast Du das erste Mal in deinem Leben die Klimakrise bewusst wahrgenommen? Wie hat sich das ausgewirkt?
  • Seitdem Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt als “Fridays for Future” auf die Straße gehen: Wie hat sich dadurch dein eigenes Handeln verändert? Welche Schwerpunkte setzt du seitdem anders / neu in Deinem Lernen / Lehren?
  • Wenn du deinen ökologischen Fußabdruck berechnest, wo ergeben sich da ganz einfache Handlungsoptionen? Welche langfristigen Ziele entstehen?
  • Wirf einen Blick auf beispielhafte Anschaffungen der letzten drei Monate und wähle drei aus: Was weißt Du von sozialen Bedingungen, unter denen diese produziert wurden? Welche Umweltbelastungen entstanden bei Produktion und Transport(en)? Wie sieht es mit Optionen der Entsorgung aus?
  • Welche Möglichkeiten nutzt du, um auf gebrauchte Alltagsgüter zurückzugreifen, sowie um z. B. Geräte mit Nachbar*innen usw. gemeinsam zu nutzen?
  • Welche Positionen vertritt die Partei, die du zuletzt gewählt hast in Sachen Umweltpolitik, Nachhaltigkeit bzw. verschiedenen Aspekten, die sich aus den SDGs ergeben? Wenn sie Teil einer gewählten Regierung (Interessensvertretung / Ort / Region / Land) ist: Was hat sie konkret umgesetzt oder aber verhindert?
  • Weitere Optionen die sich aus dem Framework / Hinweisen des „Handprint“ ergeben, also Impulsen für konkretes Handeln, siehe hier

Lehrbeispiele der Universität Bern

#climatechallenge (CH) Lernmaterialien und wie sie umgesetzt wurden auch ausgehend vom “handprint”

Karlsruhe Frühlingsakademie jeweils zu einem thematischen Schwerpunkt

Blue Engineering” interdisziplinäre Angebote für Studierende der TU Berlin

Ethikum als Zusatzangebot an der Hochschule für Technik Stuttgart

Beispiele aus Hochschulen in Brandenburg

Zusatzqualifikation für Lehramtsstudierende Uni Koblenz

Sammlung verschiedener Hochschul-Zertifikate rund um Nachhaltigkeit

Good practice Sammlung des “Netzwerk N

Weiterführende Option: https://www.acker.co/campusackerdemie

BNE-Literaturdatenbank https://www.bne.uni-osnabrueck.de/Literatur/Startseite Bundesministerium für Bildung und Forschung (o. J.) Bildung für nachhaltzige Entwicklung bis 2030 Abgerufen 2. 12. 22. Online unter https://www.bne-portal.de/bne/de/nationaler-aktionsplan/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-bis-2030/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-bis-2030.html

Deutsche Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen e.V. (2021) Nachhaltige Entwicklung von und mit Hochschulen: Handlungsempfehlungen Abgerufen 2. 12. 22 https://www.bne-portal.de/SharedDocs/Publikationen/de/bne/nachhaltige-entwicklung-von-und-mit-hochschulen-handlungsempfehlungen.html

Koller, H-C. (2019). Was bedeutet Nachhaltigkeit im Blick auf universitäre Lehre? Eine erziehungswissenschaftliche Perspektive. Abgerufen 2. 12. 22 https://hochschulforumdigitaisierung.de/de/blog/nachhaltigkeit-universitaerer-lehre

Langthaler, M., Probst L. (2019) Hochschulbildung als Ziel und treibende Kraft der Sustainable Development Goals. Reflexionen aus entwicklungspolitischer Perspektive. ÖFSE Briefing Paper No. 20 Abgerufen 2. 12. 22 https://www.oefse.at/fileadmin/content/Downloads/Publikationen/Briefingpaper/BP20-Hochschulbildung-SDGs.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

Schild, K; Leng, M., & Hammer, T. (2019). Die Rolle von Transformativem Lernen für eine Bildung für Nachhaltige Entwicklung an der Hochschule. VSH-Bulletin 2. https://boris.unibe.ch/132869/1/Schild_Leng_Hammer_2019_Transformatives_lernen.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)

The Mindfulness Initiative (2022). Reconnection: Meeting the Climate Crisis Inside Out Abgerufen 2. 12. 22 https://www.themindfulnessinitiative.org/

Universität Innsbruck (o. J.). Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kompetenzen sowie Lernzielen und exemplarische Inhalte, Lernansätze sowie Methoden zu allen SDGs

Sammlung von Literatur zum Themenfeld Kompetenzorientierung und Bildung für nachhaltige Entwicklung https://docs.google.com/document/d/1JzJQy6InO-SyedAP6SlmRBtDYX3UPXqxghxeC_0i25E/edit (Zusammenstellung: Christian F. Freisleben. Frauke Godat, Sascha Kesseler, Doris Meißner und Monika Wys

UNESCO (2017). Education for Sustainable Development Goals Learning Objectives. Abgerufen 02.12.2022. Online unter: https://www.unesco.ch/wp-content/uploads/2017/01/Learning-objectives.pdf (wird in neuem Tab geöffnet)