Flexibles Lehren und Lernen mit HyFlex
07.02.24
Wo der Ruf nach flexiblen Lernorten lauter wird, stehen Lehrende vor der Aufgabe, Präsenz- und Onlinelehre geschickt zu vereinen.
Inhalt
Dieser Beitrag taucht ein in die Chancen und Herausforderungen von HyFlex und teilt praxisnahe Empfehlungen aus erster Hand. Erfahren Sie, warum HyFlex nicht nur als zusätzlicher Aufwand betrachtet werden sollte, sondern vielmehr ein Schlüssel zu erhöhter Zufriedenheit von Studierenden und verbesserter Diversitätsgerechtigkeit ist.
Hybrid flexible Lehre
Die Begriffsbestimmung im Bereich Hybride Lehre und HyFlex Lehre gestaltet sich gegenwärtig als herausfordernd, da verschiedene Autor*innen unterschiedliche Definitionen für diesen Begriff verwenden und auch verschiedene Termini für das Phänomen des gleichzeitigen Unterrichts vor Ort und online-zugeschalteten Lerner*innen sowie dem reinen Selbststudium in Umlauf sind (vgl. Irvine, 2020; Reinmann, 2021). Nachfolgend sind Definition und wichtige Charakterisika des HyFlex-Konzeptes aufgeführt, wie es im vorliegenden Artikel verstanden wird:
Englischsprachiger Raum
Im englischsprachigen Raum ist das Konzept des „HyFlex“ bekannt, wobei der Begriff für „Hybride Flexible“ oder „HyFlex Course Model“ steht.
Physische und virtuelle Gleichzeitigkeit
Eine gleichzeitig physische und virtuelle Präsenzlehrveranstaltung wird um ein asynchrones Äquivalent (z.B. Videoaufzeichnung) angereichert. Darüber hinaus kann die Veranstaltung durch asynchrone Selbstlerneinheiten zwischen den Veranstaltungsbausteinen ergänzt werden.
Vergleichbare Ergebnisse
Das Ziel besteht darin, dass die Teilnahme an der Präsenzveranstaltung vor Ort, die Teilnahme via Videokonferenz und das Bearbeiten des asynchron bereitgestellten Materials für das Selbststudium zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Anders ausgedrückt, ersetzt die asynchrone Phase im HyFlex-Modell nicht nur Vor- oder Nachbereitungsphasen synchroner Lehrformen, sondern fungiert gleichwertig zur synchronen Lehrphase.
Vom Begriff zur Umsetzung des HyFlex-Modells
Bessere Beteiligung, Anwesenheit und Abschlüsse
Studierende von heute müssen häufig mit verschiedenen Rollen jonglieren – sei es als Arbeitnehmer*in, Ehe- oder Lebenspartner*in, Elternteil und/oder Pflegeperson. Vor diesem Hintergrund bietet das HyFlex-Modell eine einzigartige Chance. Es ermöglicht, berufliche und familiäre Verpflichtungen mit dem Studium in Einklang zu bringen. Insbesondere profitieren Studierende mit Behinderungen oder begrenzten finanziellen Mitteln oft erst durch das HyFlex-Format von der Möglichkeit, überhaupt erst ein Studium beginnen zu können (Rachbauer & Hanke, 2023, 2022a, 2022b, 2021; Rachbauer, 2021).
Individuelle Präferenzen
Forschungsergebnisse zeigen, dass Studierende unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf Präsenz- und Online-Lehre haben. Während einige Face-to-Face-Interaktionen bevorzugen, ziehen es andere vor, von zu Hause aus in einem virtuellen Klassenzimmer zu lernen, wieder andere bevorzugen das reine Selbststudium. Das HyFlex-Format könnte allen drei Gruppen gerecht werden. Es trägt somit nicht nur zur Differenzierung und Individualisierung bei, sondern auch zur Inklusion.
Kontrolliertes Lernen
Darüber hinaus ermöglicht das HyFlex-Lehrformat den Studierenden nicht nur Kontrolle über ihr eigenes Lernen, sondern auch ein hohes Maß an Autonomie. Diese gesteigerte Selbstbestimmung schätzen viele Studierende, was sich in ihren Leistungen und der abnehmenden Zahl von Studienabbrüchen widerspiegelt (Rachbauer, 2022, 2023).
Lebenslanges Lernen
In Bezug auf lebenslanges Lernen bietet das HyFlex-Lehrformat eine enorme Chance. Online- oder HyFlex-Angebote ermöglichen es mehr Menschen, an Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen, da lange Fahrt- und Abwesenheitszeiten entfallen (Han et al., 2022), was auch die Kosten senkt. Die Forschung zeigt insgesamt, dass HyFlex-Angebote mehr Menschen ansprechen, unabhängig davon, ob es sich um ein klassisches Studium oder eine Weiterbildung handelt (Han et al., 2022; Howell, 2022).
Info: HyFlex Lehre bietet mehr als Flexibilität
Manche Lehrende befürchten, dass die Leistungen der Studierenden in HyFlex Lehr- und Lernsettings schlechter ausfallen könnten. Die neuesten Forschungsergebnisse der letzten Jahre liefern jedoch andere Hinweise bezüglich des Lernerfolgs.
Chancen für bessere Quoten
Manche Lehrende befürchten, dass die Leistungen der Studierenden in HyFlex Lehr- und Lernsettings schlechter ausfallen könnten. Die neuesten Forschungsergebnisse der letzten Jahre liefern jedoch andere Hinweise bezüglich des Lernerfolgs
Vergleichbare Leistungen
Gemessen an Noten oder Punkten in Tests und Klausuren, gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen reinen Präsenz- und HyFlex Lehr- und Lernsettings (u.a. Rachbauer & Hanke, 2023; Rhoads, 2020; Verrecchia & McGlinchey, 2021). Mehr noch zeigen sich sogar vergleichbare Leistungen bei Präsenz- und Online-Lernenden in hybriden Lehr- und Lernsettings sowie bei rein asynchron teilnehmenden Studierenden, die sich alle Inhalte im Selbststudium erarbeiten.
Erhöhte Mitarbeitsquote
Die Implementierung von HyFlex-Lehre erhöht laut Forschungsergebnissen die Mitarbeitsquote der Studierenden (Abdelmalak, 2016; Han et al., 2022; Rhoads, 2020). Gleichzeitig konnte festgestellt werden, dass die Abschlussquoten bei HyFlex-Lehre im Vergleich zu reinem Online-Unterricht zunehmen und sich nicht von den Abschlussquoten in der Präsenzlehre unterscheiden (Howell, 2022).
Tipp: Herausforderungen von HyFlex überwinden
Um den Hybriditätsgraben zu überwinden, ist die Planung unterschiedlicher Aktivitäten für beide Gruppen notwendig, die jedoch zu einem gemeinsamen Lernergebnis führen. Gleichzeitig müssen Lehrende auch Aktivitäten einplanen, die beide Gruppen miteinander verbinden.
Gräben zwischen Anwesenden
Trotz der zahlreichen Chancen, die HyFlex-Lehrveranstaltungen bieten, sind damit nicht zu unterschätzende Herausforderungen verbunden, die es im Voraus zu bedenken und zu planen gilt. Die größte Herausforderung besteht für die Lehrenden im sogenannten Hybriditätsgraben (Keindorf, 2022). Dieser „Graben“ kennzeichnet HyFlex-Lehr-/Lernsettings und trennt die Vor-Ort-Studierenden von den Online-Studierenden. Hier sind einige der Hauptprobleme, die beim Hybriditätsgraben auftreten können (u.a. Keindorf, 2022; Kohnke & Moorhouse, 2021).
Ungleichheit der Zugangsmöglichkeiten
Nicht alle Studierenden haben die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu den erforderlichen Technologien und Ressourcen für die Online-Teilnahme. Dies kann zu einer Kluft zwischen denjenigen führen, die über geeignete Geräte und eine zuverlässige Internetverbindung verfügen, und denen, die darauf keinen Zugriff haben.
Motivationsprobleme
Das Fehlen einer physischen Präsenz kann zu Motivationsproblemen führen. Studierende könnten Schwierigkeiten haben, sich selbst zu motivieren und sich aktiv am Lernprozess zu beteiligen.
Herausforderungen bei der Interaktion und Kommunikation
Die Interaktion und Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden sowie zwischen den Studierenden selbst kann in HyFlex-Lehr-/Lernsettings erschwert sein. Unterschiedliche Lernmodalitäten können zu Kommunikationsbarrieren führen und den Austausch von Ideen und Feedback erschweren.
Strategien anpassen
Aufgrund des Grabens können Lehrende die bisherigen Lehrstrategien nicht einfach auf das HyFlex Lehr- und Lernsetting übertragen. Vielmehr müssen Strategien angepasst oder von vornherein anders geplant werden, um diesen Graben überwindbar zu machen. Dies erfordert, stets beide Gruppen gleichermaßen zu berücksichtigen und zu versuchen, beiden Gruppen gerecht zu werden (Kohnke & Moorhouse, 2021).
Hybriditätsgraben überwinden
Um den Hybriditätsgraben zu überwinden, ist die Planung unterschiedlicher Aktivitäten für beide Gruppen notwendig, die jedoch zu einem gemeinsamen Lernergebnis führen. Gleichzeitig müssen wir Lehrende auch Aktivitäten einplanen, die beide Gruppen miteinander verbinden. Die Forschung zum Hybriditätsgraben zeigt, dass die Präsenz- und die Online-Gruppe niemals das gleiche Erlebnis beim Lernen haben, sondern dieselben Inhalte auf andere Art und Weise aufnehmen (u.a. Kohnke & Moorhouse, 2021).
Tipp: Eine gute Tonqualität ist wichtiger als perfekte Videoqualität
Wenn bei der technischer und räumlicher Ausstattung mit Einbußen zu rechnen ist, dann ist eine gute Tonqualität von der größten Bedeutung.
Technische Ausstattung und Räume
Eine weitere Herausforderung, insbesondere für die anbietende Institution wie Hochschule, Universität oder Weiterbildungseinrichtung, stellt die Technologie dar (Howell, 2022; Kohnke & Moorhouse, 2021). Ohne eine angemessene technische Ausstattung und räumliche Gegebenheiten ist HyFlex-Lehre nur schwer und mit Einbußen umsetzbar. Die Tonqualität ist hierbei von entscheidender Bedeutung.
Endgeräte und Internetverbindung
Auch für die Teilnehmenden können Herausforderungen in Bezug auf die Technologie entstehen. Um der synchronen Lehre gut folgen zu können, benötigen die Studierenden ein entsprechendes Endgerät wie Computer oder Notebook und eine stabile Internetverbindung mit hoher Bandbreite für Videokonferenzen, was jedoch nicht allen Studierenden zugänglich ist (Kohnke & Moorhouse, 2021). Für Studierende, die im Rahmen des HyFlex-Formats rein asynchron teilnehmen, reicht auch eine Internetverbindung mit geringerer Bandbreite.
Selbstregulation der Studierenden
Eine weitere Herausforderung, die weniger mit der technischen Ausstattung als vielmehr mit den Kompetenzen und Erfahrungen der Studierenden zusammenhängt, wurde in jüngster Forschung identifiziert. Der Erfolg in HyFlex-Lehrveranstaltungen hängt in besonderem Maße von der Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen der Studierenden ab (Howell, 2022). Wir Lehrende müssen dies berücksichtigen, wenn wir über die Implementierung eines HyFlex-Angebots entscheiden. Es könnte notwendig sein, die Selbstregulationsfähigkeiten der Studierenden bewusst zu fördern.