Gestalterische Umsetzung von Science Comics

05.12.2024

Ist die Planung des Science Comics abgeschlossen, können Sie mit den Studierenden in die praktische Phase übergehen.

Abbildung 1: Basismaterial für die Cut-Out-Technik (Bild: J. Jakob)
Abbildung 1: Basismaterial für die Cut-Out-Technik (Bild: J. Jakob)

1. Materialien und Technik

Beginnen wir mit der Auflistung der Basismaterialien, die benötigt werden: Fotokarton in vielen Farben, Feinschere, Papierskalpell, Schneideunterlage, Klebstoff und Stifte. Und ein Schneideplotter? – der ist ein Nice to have.

Im Idealfall konstruiert man mit einer Digitalkamera, einer Beleuchtungsquelle und Stativen ein Legetrickstudio.

Abbildungen 2 und 3: Professionelles Legetrickstudio an der Universität (links) und Low-Cost-Variante mit einem Smartphone (rechts) (Bilder: M. Prechtl).
Abbildungen 2 und 3: Professionelles Legetrickstudio an der Universität (links) und Low-Cost-Variante mit einem Smartphone (rechts) (Bilder: M. Prechtl).

Freilich ist ein Legetrickstudio keine notwendige Voraussetzung für das Vorhaben. Low-Cost-Varianten, bei denen anstelle der Digitalkamera ein Smartphone und statt des Stativs ein Karton oder ein Lineal – als Auflage für das Smartphone, eingerichtet zwischen zwei Bücherstapeln – verwendet wird, funktionieren einwandfrei.

1.1 Technische Umsetzung – analoges Handwerk

Zunächst werden die Comicfiguren, Objekte und Hintergründe entworfen, wobei eine gezielte Internetrecherche nach Vorlagen für Cartoonköpfe und Hände hilft. Die Formen werden zugeschnitten. Es ist wichtig, verschiedene Münder, Augen und Hände vorrätig zu halten, damit Mimik und Gestik lebendig inszeniert werden können. Ratsam ist es, alle Einzelteile in kleinen Boxen oder Tüten zu lagern.

Abbildung 4: Klamottentechnisch… (Bild: J. Jakob).
Abbildung 4: Klamottentechnisch… (Bild: J. Jakob).
Abbildung 5: Sammlung von Pappfigureneinzelteilen und Objekten (Bild: J. Jakob).
Abbildung 5: Sammlung von Pappfigureneinzelteilen und Objekten (Bild: J. Jakob).
Abbildung 6: Der Aufbau eines Hintergrunds aus Pappelementen (Bild: J. Jakob).
Abbildung 6: Der Aufbau eines Hintergrunds aus Pappelementen (Bild: J. Jakob).
Abbildung 7: Das Arrangieren von Figuren vor dem Hintergrund (Bild: J. Jakob).
Abbildung 7: Das Arrangieren von Figuren vor dem Hintergrund (Bild: J. Jakob).

1.2 Technische Umsetzung – digitales Handwerk

Die Pappfiguren, -objekte und -hintergründe werden digital abfotografiert. Besonders bequem gelingt dies mit einer an einem Stativ fest installierten Digitalkamera. Diese lässt sich mit einer kostenlosen Software für Live-View-Aufnahmen (z. B. EOS Utility Canon) über einen Laptop ansteuern. Die Überführung der Einzelbilder in ein Raster (Panel Grid) und die Platzierung von Sprechblasen erfolgt mit einer Comicsoftware (z. B. Comic Life). Bei der Gestaltung des Rasters gibt es viel Spielraum. Newcomer sollten zu Beginn ein einheitliches Raster (Uniform Grid), bestehend aus drei Zeilen mit je drei Panels, verwenden. Hierein lassen sich auch spezielle Panels integrieren:

  • Insert Panel: Ein kleines Panel wird in einem großen Panel positioniert. Das große Panel zeigt den größeren Zusammenhang (z. B. eine Apparatur mit Rückflusskühlung), das kleine Panel die Details (z. B. eine Thermometerskala).
  • Establishing Shot (McCloud 2007, Kap. 4): Ein großes Eröffnungspanel zu Beginn bietet den Leser*innen eine erste Orientierung. Die meisten Daily Soaps starten auf diese Weise: Großstadt am Morgen (Panel 1) – erleuchtetes Fenster im Wohnblock (Panel 2) – Kommunikation am Frühstückstisch (Panel 3).
Abbildung 8: Establishing Shot (linke Seite). Ausschnitt aus dem Cut-Out-Science-Comic Fischsterben am Angelteich – Leyla und die Winkler-Probe (Jakob 2019b).
Abbildung 8: Establishing Shot (linke Seite). Ausschnitt aus dem Cut-Out-Science-Comic Fischsterben am Angelteich – Leyla und die Winkler-Probe (Jakob 2019b).

Die sequenzielle Anordnung von Panels kann herausfordernd sein. Es lohnt sich, vor dem Aufbau der Sequenzen, McClouds Ausführungen zu den Möglichkeiten der Verknüpfung einzelner Panels durchzugehen (McCloud 2001).

2. Präsentieren

Die Vorstellung der eigens erstellten Cut-Out-Science-Comics vor anderen kann auf verschiedene Weise erfolgen:

  • Analoges Verteilen gedruckter Broschüren. Das professionelle Drucken in einem Copyshop muss finanziert werden. Das kann von Nachteil sein. Mit der Investition gestattet man sich/anderen aber auch, das eigene Produkt in Händen zu halten.
  • Digitales Aufspielen auf Tablets. Dies ist kostenneutral, setzt aber gelingendes BYOD (Bring Your Own Device) voraus.
  • Projektion über den Beamer. Ein Nachteil ergibt sich aus dem Format. Ein Comic im Hochformat und eine Projektionsfläche im Querformat passen nicht zusammen. Es muss gescrollt werden, was den Leserhythmus stört.

Die Kombination aus Präsentationsform 1 oder 2 mit 3 ist besonders effektiv.

3. Bewerten

Tabelle 1: Bewertungsbogen für Cut-Out-Science-Comics.
Tabelle 1: Bewertungsbogen für Cut-Out-Science-Comics.

Während der Feedbackphase bewerten Studierende die Cut-Out-Science-Comics anhand von Kriterien. Im Idealfall reflektieren sie dabei auch die Qualität des eigenen Kompetenzerwerbs. Feedbackregeln sollten zuvor verabredet werden. Denn nur eine wertschätzende und konstruktive Rückmeldung stärkt den Menschen hinter der Sache. Zum Ausgangspunkt des Feedbacks können Leitfragen, wie die folgenden, genommen werden: Wurde eine überzeugende Welt erschaffen? Ist das Storytelling sinnstiftend? Wurde der Sachinhalt fachlich korrekt und strukturiert dargeboten? Ist der Comic bildlastig, textlastig oder ausgewogen? Treibt die Panelanordnung den Lesefluss an oder bremst sie ihn aus? Wirken Gestik und Mimik der Comicfiguren authentisch? usw. Zur Unterstützung kann eine tabellarische Übersicht dienen, die nicht als Mängelliste aufgefasst werden sollte.

4. Lernziel-Resümee

Studierende erwerben Sachwissen und trainieren etliche Fertigkeiten, während sie eigene Science Comics planen, gestalten und an dem ihnen gegebenen Feedback konstruktiv bewerten lernen:

Tabelle 2: Lernziele und Zeitaufwand.

Phase Wichtige Lernziele Zeitaufwand in Stunden
Planen
  • Sachwissen: Inhalte recherchieren und anhand des Vergleichs verschiedener Quellen auf ihre Korrektheit hin überprüfen; Zielgruppenadäquatheit der Inhalte antizipieren; allgemeine Grundlagen zu Comic-Theorie und Science Communication recherchieren.
  • Science Communication & Visual Literacy: Inhalte didaktisch elementarisieren; Inhalte via Storytelling kontextualisieren; ein finales Storyboard entwickeln; Cut-Out-Figuren und Equipment – aufeinander abgestimmt dimensioniert – designen; diversitätssensible und stereotypenfreie Darstellungen entwickeln.
  • Medien-Handling: Cut-Out-Elemente gestalten; Foto-Studio-Setting aufbauen/nutzen.
  • Social Skills: Entscheidungen und Handlungsschritte diskutieren und abstimmen.
  • Einführung:
    2 Stunden in Präsenz
  • Recherche zum Fachinhalt und Design:
    2 Stunden im Selbststudium
  • Figurengestaltung:
    3 Stunden im Selbststudium
  • Kollaboratives Gestalten von Story und Storyboard inklusive Reflexion:
    3 Stunden in Präsenz
  • Gesamt:
    5 Stunden in Präsenz und 5 Stunden im Selbststudium
Gestalten
  • Sachwissen: Inhalte in den Sprechblasen/Textboxen fachsprachlich korrekt formulieren; Phänomene wahrnehmungswirksam inszenieren.
  • Science Communication & Visual Literacy: Inhalte strukturiert darstellen (sequenzieren); Denkmodelle visualisieren und dabei deren Potenziale/Grenzen reflektieren; Farb- und Steuerungscodes planen; Symbolik darstellen und unterstützend kommentieren; Gestik, Mimik, Aktionen und Interaktionen der Figuren visuell arrangieren; Figur-Hintergrund- und Farb-Kontraste optimieren.
  • Medien-Handling: Arbeitsfläche schatten- und reflexionsfrei ausleuchten; digitale Fotos anfertigen und geordnet abspeichern; Perspektiven und Einstellungen variieren; Comic-Software für das Finishing (Panel Grid, Sprech- und Denkblasen, Soundwords) anwenden.
  • Social Skills: Handlungsschritte gemeinsam koordinieren.
  • Analoges Handling inklusive Reflexion (Figuren legen, Fotos erstellen):
    4–6 Stunden in Präsenz
  • Digitales Handling inklusive Reflexion (Comic-Software):
    4-6 Stunden im Selbststudium
  • Gesamt:
    5 Stunden in Präsenz und 5 Stunden im Selbststudium
Präsentieren & Bewertung
  • Sachwissen: Bewertungskriterien für Science Comics recherchieren oder entwickeln; Vor- und Nachteile unterschiedlicher Präsentationsformen diskutieren und abwägen.
  • Science Communication & Visual Literacy: Science Comics präsentieren.
  • Medien-Handling: Während der Präsentation Besonderheiten hervorheben, heranzoomen, highlighten; ggf. digitale Feedback-Tools anwenden.
  • Social Skills: Wertschätzendes, konstruktives Feedback geben und annehmen.
  • Vorbereitung der Präsentation:
    1 Stunde im Selbststudium
  • Präsentation und Feedback pro Gruppe je 15 min.:
    0.5 Stunde in Präsenz
  • Gesamt:
    3–4 Stunden in Präsenz und eine Stunde im Selbststudium

5. Outro – Wie geht´s weiter?

Sie und die Studierenden können das Konzept jederzeit kreativ weiterentwickeln. Es ist denkbar, dass Studierende Ihnen vorschlagen, gleich einen Animationsfilm mit der Cut-Out-Technik zu erstellen. Dies ist möglich, aber äußerst zeitintensiv, da selbst im Amateurfilmbereich sechs Bilder pro Sekunde produziert werden müssten, damit ein zufriedenstellendes Resultat erzielt werden kann. Die Zeit ist der Flaschenhals. Die Produktion eines Cut-Out-Science-Comics ist in einem für die Lehre realistischen Zeitrahmen möglich, die Trickfilmproduktion hingegen nicht. Aber es gibt Mittelwege, die ausgekundschaftet werden können; aktuell experimentiert z. B. der Instagram-Account Fe_ducation mit einem Comic-Reel-Mashup. Darüber hinaus ist Vieles möglich – Hauptsache es wird gut gemacht und beim Machen stets reflektiert.

Autor:in

Dr. Markus Prechtl, TU Darmstadt. Aktuell Professor für Fachdidaktik Chemie, Arbeitsschwerpunkte: Bildung für nachhaltige Entwicklung, Gender/Diversity, (Visual) Science Communication

Jakob, J. (2019b). Fischsterben am Angelteich – Leyla und die Winkler-Probe. Cut-Out-Science-Comic [online]. Verfügbar unter: www.disensu.de/comics/

McCloud, S. (2001). Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst. Hamburg: Carlsen.

McCloud, S. (2007). Comics machen. Alles über Comics, Manga und Graphic Novels. Hamburg: Carlsen.