Ablauf einer Lehrveranstaltung

26.09.23

In diesem Abschnitt wird eine Checkliste vorgestellt, an der sich Lehrende bei der Planung und Durchführung einer Lehrveranstaltung orientieren können. Je nach individueller Gestaltung der Lehrveranstaltung sind Abweichungen möglich.

Phasen für die Präsenzveranstaltung

Sechs Schritte zur Planung und Durchführung

1. Planung der Veranstaltung

Bei der Planung von Lehrveranstaltungen unterstützten unten genannte Fragen.
Für welche Inhalte benötigen Studierende die Unterstützung durch Lehrende?
Für welche Inhalte brauchen Studierende Austausch mit einer Lerngruppe?
Welche Inhalte eignen sich zur Auslagerung aus Präsenzphasen (synchron) und damit zur Aneignung in Selbstlernphasen (asynchron) und welche nicht?
Wie können die Inhalte didaktisch sinnvoll (evtl. technologisch gestützt) aufbereitet werden (vgl. Sams, S. 19)?
Welche Inhalte sind prüfungsrelevant bzw. welche Kompetenzen sollen die Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung erwerben und welche Lernstandsfragen ergeben sich daraus für das Ende der Selbstlernphasen?
Ist das E-Learning-Material für die Veranstaltung produziert oder was braucht es noch?
Eine Vorlage für einen Flipped Classroom – Planungsbogen finden Sie hier und seitlich im Downloadbereich.

2. Die erste Präsenzveranstaltung (synchron)

Der ersten Präsenzveranstaltung kommt eine hohe Bedeutung zu. Hier werden Rahmenbedingungen und Ablauf der Veranstaltung vorgestellt.
Stellen Sie den Studierenden das Konzept des Flipped Classrooms vor. Erwähnen Sie unter anderem:
  • In den Selbstlernphasen werden alle Informationen zur Verfügung gestellt, die man zum Bestehen der Lehrveranstaltung benötigt.
  • Präsenzphasen sind ein Angebot für Freiwillige.
  • Bitte nur vorbereitet in die Präsenzveranstaltung kommen.
  • In den Präsenzveranstaltungen werden die Inhalte aus den Selbstlernphasen nicht wiederholt. Es werden Verständnisprobleme gelöst und Lerninhalte vertieft.
  • Am Ende der Selbstlernphasen werden Fragen zum Kenntnis- und Lernstands gestellt. Sie sind Studierenden bei der aktiven Verarbeitung des Lernstoffs nützlich. Lehrende wiederum können Herausforderungen früh erkennen und reagieren.
  • Fokussieren Sie die Fragen auf die Lernziele der Veranstaltung und somit auf die zu erwerbenden Kompetenzen bzw. das, was Studierende können sollen.
  • Sammeln Sie offene Fragen der Studierenden bspw. in einem Moodle-Forum oder mit der Moodle-Aktivität „Nachgefragt“.
Haben Sie die Anzahl der Präsenzveranstaltungen transparent gemacht?
Je nach Format sollte das Zusammenspiel von Vorlesung und Übung vorgestellt werden.
Machen Sie transparent, welche Kompetenzen in der Veranstaltung erworben werden.
Welche Themen werden im Rahmen der Veranstaltung behandelt?

3. Selbstlernphasen (asynchron)

In den Selbstlernphasen sollen Studierende keinesfalls sich selbst überlassen werden. Vermitteln Sie Ihnen entsprechend das Gefühl auch hier präsent zu sein.
Begrüßen Sie die Studierenden auf der Lernplattform (z.B. Moodle) zur Selbstlernphase.
Reagieren Sie auf eingehende Anfragen von Studierenden im Idealfall innerhalb von 24 Stunden.
Auf der Lernplattform mitteilen, was in der Selbstlernphase von den Studierenden erwartet wird.
Welche Inhalte sollen die Studierenden wie bearbeiten (präzise Anleitung)?
Bei längeren Selbstlernphasen: Welche „Meilensteine“ sollen bis wann erreicht sein?
Die Lernstandsfragen zu den Lerninhalten auf der Lernplattform einstellen (Möglichkeit zur Lernstandsdiagnose für die Lehrperson).
  • Wichtig: Welche Inhalte müssen die Studierenden können?
  • Die Fragen in den Selbstlernphasen möglichst immer zu einem fixen Zeitpunkt einstellen (z.B. drei Tage vor der Präsenzveranstaltung).

4. Präsenzphasen (synchron)

Diese Phase kann online, hybrid oder in Präsenz, jeweils aber synchron, stattfinden. Wichtig ist der Rollenwechsel von Vermittler*in hin zu Moderator*in. Folgende Punkte zu beachten:
Tipps zur Vorbereitung
Vor der Präsenzveranstaltung sollten Sie die Antworten auf die Lernstandsfragen aus der Selbstlernphase anschauen. Setzen Sie sich mit dem Lernstand und Verständnisschwierigkeiten der Studierenden auseinander: was wurde von den meisten Studierenden schon gut verstanden, was noch nicht? Lob und neue Erklärungsansätze / Input zu offenen Fragen sollten vorbereitet werden.
Bereiten Sie nach Bedarf unterstützendes Material vor oder bieten Unterstützung an.
Material zur Vertiefung der Lerninhalte vorab vorbereiten.
Tipps zum Ablauf
Heißen Sie die Studierenden willkommen. Fragen Sie auch, was aus organisatorischer Sicht in der Selbstlernphase gut oder weniger gut funktionierte.
Stellen Sie die studentischen Ergebnisse zu den Lernstandsfragen vor.
In der sogenannten Murmelrunde aus zwei bis vier Studierenden werden offene Fragen gesammelt und untereinander diskutiert
  • Weiterhin offene Fragen werden im Plenum gesammelt und priorisiert. Sie werden dann – sofern möglich – von Studierenden beantwortet oder Sie geben Antworten oder erklären auf andere Weise.
  • Gehen Sie dann bei Bedarf auf Wünsche der Studierenden zur Vertiefung ein.
Geben Sie den Studierenden schließlich weiterführende Aufgaben zum Üben, Vertiefen oder den Transfer (ggf. mit dem vorbereiteten Material) und gestalten Sie diese Phase aktivierend. Hier ist es nützlich, ein abwechslungsreiches didaktisch-methodisches Repertoire nutzen zu können. Auch in großen Hörsälen ist eine aktivierende Umsetzung möglich. Noch leichter wird die aktive Beteiligung der Studierenden in kleineren Gruppen und mit flexibler Bestuhlung im Raum. In Großveranstaltungen ist es sinnvoll, Tutor*innen einzusetzen, die Studierende in dieser Bearbeitungsphase mit unterstützen können.
Stellen Sie am Ende die nächste Selbstlernphase vor:
  • Welche Inhalte werden behandelt?
  • Was wird bis wann erwartet?
  • Gibt es organisatorische Besonderheiten?

5. Selbstlernphasen (asynchron)

In den Selbstlernphasen sollen Studierende keinesfalls sich selbst überlassen werden. Vermitteln Sie Ihnen entsprechend das Gefühl auch hier präsent zu sein.
Begrüßen Sie die Studierenden auf der Lernplattform (z.B. Moodle) zur Selbstlernphase.
Reagieren Sie auf eingehende Anfragen von Studierenden im Idealfall innerhalb von 24 Stunden.
Auf der Lernplattform mitteilen, was in der Selbstlernphase von den Studierenden erwartet wird.
Welche Inhalte sollen die Studierenden wie bearbeiten (präzise Anleitung)?
Bei längeren Selbstlernphasen: Welche „Meilensteine“ sollen bis wann erreicht sein?
Die Lernstandsfragen zu den Lerninhalten auf der Lernplattform einstellen (Möglichkeit zur Lernstandsdiagnose für die Lehrperson).
  • Wichtig: Welche Inhalte müssen die Studierenden können?
  • Die Fragen in den Selbstlernphasen möglichst immer zu einem fixen Zeitpunkt einstellen (z.B. drei Tage vor der Präsenzveranstaltung).

6. Präsenzphasen (synchron)

Diese Phase kann online, hybrid oder in Präsenz, jeweils aber synchron, stattfinden. Wichtig ist der Rollenwechsel von Vermittler*in hin zu Moderator*in. Folgende Punkte zu beachten:
Tipps zur Vorbereitung
Vor der Präsenzveranstaltung sollten Sie die Antworten auf die Lernstandsfragen aus der Selbstlernphase anschauen. Setzen Sie sich mit dem Lernstand und Verständnisschwierigkeiten der Studierenden auseinander: was wurde von den meisten Studierenden schon gut verstanden, was noch nicht? Lob und neue Erklärungsansätze / Input zu offenen Fragen sollten vorbereitet werden.
Bereiten Sie nach Bedarf unterstützendes Material vor oder bieten Unterstützung an.
Material zur Vertiefung der Lerninhalte vorab vorbereiten.
Tipps zum Ablauf
Heißen Sie die Studierenden willkommen. Fragen Sie auch, was aus organisatorischer Sicht in der Selbstlernphase gut oder weniger gut funktionierte.
Stellen Sie die studentischen Ergebnisse zu den Lernstandsfragen vor.
In der sogenannten Murmelrunde aus zwei bis vier Studierenden werden offene Fragen gesammelt und untereinander diskutiert
  • Weiterhin offene Fragen werden im Plenum gesammelt und priorisiert. Sie werden dann – sofern möglich – von Studierenden beantwortet oder Sie geben Antworten oder erklären auf andere Weise.
  • Gehen Sie dann bei Bedarf auf Wünsche der Studierenden zur Vertiefung ein.
Geben Sie den Studierenden schließlich weiterführende Aufgaben zum Üben, Vertiefen oder den Transfer (ggf. mit dem vorbereiteten Material) und gestalten Sie diese Phase aktivierend. Hier ist es nützlich, ein abwechslungsreiches didaktisch-methodisches Repertoire nutzen zu können. Auch in großen Hörsälen ist eine aktivierende Umsetzung möglich. Noch leichter wird die aktive Beteiligung der Studierenden in kleineren Gruppen und mit flexibler Bestuhlung im Raum. In Großveranstaltungen ist es sinnvoll, Tutor*innen einzusetzen, die Studierende in dieser Bearbeitungsphase mit unterstützen können.
Stellen Sie am Ende die nächste Selbstlernphase vor:
  • Welche Inhalte werden behandelt?
  • Was wird bis wann erwartet?
  • Gibt es organisatorische Besonderheiten?

Probieren Sie es aus

Forschungsergebnisse zeigen, dass der Flipped Classroom gut geplant und sorgfältig durchgeführt werden sollte, wie es allgemein für die Gestaltung qualitativ hochwertiger Lehre gilt. Hinweise zu den Gelingensbedingungen von Hochschullehre finden Sie hier .

Forschungsergebnisse zur Effektivität des Flipped Classrooms

Zur Effektivität des Lehrformats an Hochschulen wurde in jüngerer Vergangenheit viel geforscht, sodass es nicht nur Einzelstudien gibt, sondern die Ergebnisse mehrerer Forschungsarbeiten in Metaanalysen zusammengefasst werden konnten. Inzwischen existieren sogar zwei Arbeiten, welche die Ergebnisse der vielen Metaanalysen integriert (Bredow et al., 2021; Hew et al., 2021). Die sehr umfassende „Meta-Metaanalyse“ (oder auch „Metaanalyse 2ter Ordnung“) von Hew et al., 2021 umfasst 15 Metaanalysen, die zwischen 2017 und 2020 veröffentlicht wurden und ein Vergleichsgruppendesign benutzten. Dies bedeutet, dass in den eingeschlossenen Studien jeweils eine Gruppe von Lernenden mit dem Lehrkonzept „Flipped Classroom“ unterrichtet wurde. In der anderen Gruppe wurden die Lernenden mit einer anderen Lehrmethode als dem Flipped Classroom unterrichtet. Als Erfolgskriterium, anhand dessen die beiden Gruppen dann verglichen wurden, wurde hier ausschließlich das von den Studierenden erworbene fachspezifische Wissen betrachtet, das zum Beispiel über Abschlussprüfungen oder standardisierte Tests abgeprüft und hierbei gemessen wurde. Die in den Studien enthaltenen Daten sind sehr umfangreich und geben Aufschluss zu verschiedenen Fächern, Ausbildungsniveaus (inklusive der Hochschule) und Kulturkreisen (da Publikationen in englischer, chinesischer und türkischer Sprache analysiert wurden).

Zusammengenommen liegen die Effektstärke (ES) dieser „Meta-Metaanalyse“ im kleinen Bereich (ES=.45, adjustiert um den sogenannten „Publikationsbias“ mit ES=.37 sogar etwas geringer; Hew et al., 2021). Eine Effektstärke von .37 kann man so interpretieren, dass diejenigen Studierenden, die mit dem Lehrkonzept Flipped Classroom unterrichtet worden sind, zu ca. 64% mindestens gleich gute oder bessere Lernergebnisse erzielen als diejenigen Studierenden, die nicht mit dem Flipped Classroom unterrichtet wurden. Ein solcher Unterschied lässt sich mit statistischen Methoden als signifikant nachweisen, ist jedoch noch so klein, dass er im Alltag mit bloßem Auge vermutlich schwer zu erkennen wäre. Würden wir die beiden Gruppen also unterrichten, würde uns dieser Unterschied vermutlich nicht (stark) auffallen.

Eine weitere Überblickspublikation in Form eines systematischen Literaturreviews in deutscher Sprache, das neben der Lernleistung der Studierenden auch andere Erfolgsfaktoren wie z.B. die studentische Zufriedenheit und den Erwerb praktischer Fertigkeiten (sog. „Skills“) einbezieht, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Effekte für die Studien zum Flipped Classroom bewegen sich überwiegend im kleinen Bereich (Mayweg, Enders, Bohndick & Rückmann, angenommener Beitrag).

Alle in allem kann man die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse zum Flipped Classroom dahingehend interpretieren, dass man weder etwas verkehrt machen kann, noch seine Lehre deutlich verbessern kann, wenn man sich für das Lehrkonzept Flipped Classroom entscheidet. Die Forschungsergebnisse zeigen jedoch auch, dass diese Aussage nur dann gilt, wenn der Flipped Classroom an sich gut geplant und sorgfältig durchgeführt wird, wie es allgemein für die Gestaltung qualitativ hochwertiger Lehre gilt.Hinweise zu den Gelingensbedingungen von Hochschullehre finden Sie hier . Einige Aspekte haben sich hier als besonders bedeutsam erwiesen:

Die Zeit im Präsenzunterricht sollte beim Einsatz des Flipped Classroom nicht reduziert werden (van Alten et al., 2019). Zudem scheint das Lehrformat bei Studierenden in den ersten Semestern (z.B. im Bachelor) besser zu wirken als bei fortgeschrittenen Studierenden (im Master) (Låg & Sæle, 2019; Cheng et al., 2019). Auch sollte sein Einsatz nicht überstrapaziert werden, denn bei kürzerem Einsatz zeigen sich höhere Effekte (Låg & Sæle, 2019; Cheng et al., 2019).

Quellen

Böttcher, A., Kämper, A., Thurner, V. (2015). 2015 IEEE Global Engineering Education Conference (EDUCON), pp. 453-461

Bredow, C. A., Roehling, P. V., Knorp, A. J., & Sweet, A. M. (2021). To Flip or Not to Flip? A Meta-Analysis of the Efficacy of Flipped Learning in Higher Education. In Review of Educational Research. American Educational Research Association (AERA), Vol. 91, Issue 6, pp. 878–918

Cheng, L., Ritzhaupt, A. D. & Antonenko, P. (2019). Effects of the flipped classroom instructional strategy on students’ learning outcomes: a meta-analysis. Educational Technology Research and Development, 67(4), pp. 793–824. https://doi.org/10.1007/s11423-018-9633-7

DiZ-Zentrum für Hochschuldidaktik. http://www.hd-mint.de/lehrkonzepte/verstehen/just-in-time-teaching-jitt/

Hew, K. F., Bai, S., Dawson, P., & Lo, C. K. (2021). Meta-analyses of flipped classroom studies: A review of methodology. In Educational Research Review (Bd. 33, S. 100393). Elsevier BV. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2021.100393

Jonsson, H. (2015). Using Flipped Classroom, Peer Discussion, and Just-in-time Teaching to Increase Learning in a Programming Course. 2015 IEEE Frontiers in Education Conference (FIE), vol. 00, no. , pp. 1-9

Låg, T. & Sæle, R. G. (2019). Does the Flipped Classroom Improve Student Learning and Satisfaction? A Systematic Review and Meta-Analysis. AERA Open, 5(3), 1-17. https://doi.org/10.1177/2332858419870489

Mayweg, L., Enders, N., Bohndick, C. & Rückmann, J. (angenommener Beitrag). Online, blended oder Präsenz? Zeitschrift für empirische Hochschulforschung.

Pengfei, G. & Mingxuan, Ch. (2015). Flipped classroom: Teaching experience from practice. 2015 International Conference of Educational Innovation through Technology, pp. 155-159

Sams, A. (2012). Der „Flipped“ Classroom. In: J. Handke & A. Sperl (Hrsg.), Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 13–22

Tao, Y., Liu, G., Mottok, J., Hackenberg, R. & Hagel, G. (2015). Just-in-Time-Teaching Experience in a Software Design Pattern Course. 2015 IEEE Global Engineering Education Conference (EDUCON), pp 915-919

van Alten, D. C., Phielix, C., Janssen, J. & Kester, L. (2019). Effects of flipping the classroom on learning outcomes and satisfaction: A meta-analysis. Educational Research Review, 28, 100281. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2019.05.003

Wiemeyer, J. & Stroß, M. (2006). Evaluation von eLearningangeboten – Grundlagen und Anwendungsbeispiel. In V. Scheid (Hrsg.). Sport und Bewegung vermitteln (S. 150-153). Czwalina: Hamburg