Abschlussarbeiten betreuen
Zweite Seite des Artikels
In diesem Beitrag erhalten Betreuer_innen Tipps, wie die Betreuung so gestaltet werden kann, dass der Aufwand gering bleibt und Studierenden gleichzeitig eine gute Betreuung geboten werden kann. Zwar wird der eine oder andere Praxistipp zunächst etwas Zeit fordern, die Tipps sparen auf längere Sicht aber Zeit und Aufwand.
Inhalte

Welche Aufgaben haben Betreuer_innen?
Die Studierenden bei einer Abschlussarbeit zu begleiten, kann eine wunderbare Erfahrung sein. Betreuer_innen sollten sich aber ganz klar darüber sein, dass eine Abschlussarbeit die Arbeit der Studierenden ist. Das heißt, Studierende schreiben die Arbeit und tragen die Hauptverantwortung, ob sie gut oder schlecht wird. Otto Kruse zum Thema: „Schreiben zwingt dazu, selbständig zu werden.“ (2007, S. 10).
Betreuer_innen sollten sich Gedanken machen, welche Aufgaben zum Betreuungsauftrag gehören und sich ganz klar darüber sein, dass eine Abschlussarbeit die Arbeit der Studierenden ist, das heißt sie schreiben die Arbeit und sie tragen die Hauptverantwortung für die Qualität der Arbeit. Zu den Aufgaben, die Betreuer_innen erfüllen sollten, gehören:
- Die eigenen Erwartungen an die Studierenden kommunizieren und deren Aufgaben klären (ggf. schriftlich, was auf lange Sicht Zeit spart)
- Die Erwartungen der Studierenden erfragen und mit den eigenen Erwartungen abgleichen
- Vorkenntnisse der Studierenden abklären und einschätzen, wie viel diese wissenschaftlich leisten können
- Themen vergeben, die realistisch und machbar sind
- Den organisatorischen und zeitlichen Ablauf planen und dabei folgendes beachten:
- Betreuer_innen sollten nicht über Gebühr belastet werden
- Betreuer_innen sollten in der Bearbeitungszeit für die Studierenden erreichbar sein
- Die Betreuung sollte in die Arbeitsabläufe der Betreuer_in und der Arbeitsgruppe passen
- Den Studierenden Feedback geben
- Beistand und Unterstützung im Projekt bieten
Falls das Ausmaß der Unterstützung nicht in die Bewertung einfließen darf, sollten Betreuer_in genau überlegen, wie weit sie in der Hilfestellung gehen können und wollen, so dass die Arbeit am Schluss noch die Abschlussarbeit der Studierenden ist
Welche Rollen haben Betreuer_innen?
Die Betreuung von Abschlussarbeiten erfordert eine Vielfalt von Aktivitäten und Rollen. So sind Betreuer_innen sowohl Expert_innen für das Thema bzw. Fach, als auch Berater_innen, Supervisor_innen, Coach, LernCoach oder Mentor_innen (für eine Beschreibung dieser verschiedenen Rollen vgl. ). Begriffsklärungen im Kontext von Beratung und Begleitung von Studierenden an der Universität
Das Integrated competing values framework versucht, für die vielen verschiedenen Aktivitäten und Aufgaben von Betreuer_innen einen konzeptionellen Rahmen zu bieten (Vilkinas, 2008). Das Modell unterscheidet sechs – teils paradoxe – Rollen, vgl. Abb. (1). Alle diese Rollen werden – je nach Studierenden (z. B. chaotisch vs. strukturiert oder hinweissensibel vs. hinweistaub, vgl. Delamont et al. 2004, S. 44 ff) – wechselnd im Betreuungsprozess gebraucht. Die explorative Studie von Vilkinas (2008) zeigt, dass eine Mehrheit der interviewten Betreuer_innen sich auf die Rollen Developer (u. a. persönliche Entwicklung der Studierenden fördern) und Deliverer (u. a. Ziele etc. setzen) fokussiert. Auch die Monitorrolle (den Fortgang der Arbeit kritisch überprüfen) wird von einigen noch eingesetzt. Als Broker (u. a. Infrastruktur zur Verfügung stellen) und Innovator (den Betreuungsprozess im akademischen Umfeld kreativ neu denken) werden kaum eingenommen und die Integratorrolle gar nicht. Diese wäre jedoch ausgesprochen wichtig, weil sie beinhaltet, die eigene Betreuung kritisch zu reflektieren und den Gegebenheiten anzupassen. Betreuer_innen sollten sich aber nicht nur die Vielfalt der Rollen, die sie bei der Betreuung innehaben, klar machen. Sie sollten auch überlegen, ob sie bereit und in der Lage sind, alle Rollen erforderlichenfalls zu übernehmen oder wo ihre Grenzen sind und sie Studierende an andere Stellen verweisen würden, die professionelle Hilfe bieten. Zu diesen Stellen zählen z. B. das SchreibCenter oder auch die . Psychotherapeutische Beratungsstelle des Studierendenwerks
Welche Phasen der Betreuung gibt es?
Was tun, wenn es unrund läuft?
Wenn die Studierenden beim Forschen und/oder Schreiben nicht vorankommen ist es zunächst essentiell zu versuchen, in einem Gespräch die Ursache von Problemen herauszufinden. Anschließend kann der/die Betreuer_in entweder selber oder mit Unterstützung von Kolleg_innen den Studierenden helfen oder an andere Stellen weiter verweisen, wie z. B. Schreibcenter oder Psychosoziale Beratungsstelle. Wenn Studierende trotz Hilfestellung nicht weiterarbeiten können, muss die Arbeit ggf. abgebrochen und/oder als nicht bestanden bewertet werden.
Ab und zu werden Betreuer_innen auch mit schwierigen Fällen konfrontiert. Ursachen für die Schwierigkeiten können wieder sehr unterschiedlicher Natur sein. Zum einen gibt es strukturelle Probleme, die der/die einzelne Betreuer_in eigentlich nicht lösen kann, dazu gehört das Betreuen internationaler Studierender, die weder Deutsch noch Englisch gut genug schreiben können, um eine ordentliche wissenschaftliche Arbeit verfassen zu können. Die Lösung kann nicht sein, dass die Betreuer_innen oder andere deutsche Studierende die Arbeit für die Kandidat_innen schreiben. In solchen Fällen sollte man sehr früh offen mit den Studierenden sprechen und sie darauf hinweisen, dass sie sich zusätzliche Unterstützung holen müssen durch das Schreiblabor und/oder Übersetzer_innen beispielsweise. Hier sollten betroffene Fachbereiche sich idealerweise auch absprechen, wie sie mit solchen Fällen umgehen.
Bei Studierenden aus anderen Kulturkreisen ist es auch sinnvoll wissenschaftliche Standards beispielsweise zum Zitieren frühzeitig anzusprechen und die Studierenden gegebenenfalls in einen Kurs zum wissenschaftlichen Schreiben zu schicken, so dass sie die Standards an deutschen Universitäten kennenlernen.
Falls die Schwierigkeit nicht strukturell, sondern eher individuell bedingt ist, sollten Betreuer_innen am besten nach dem Prinzip der minimalen Intervention vorgehen. Wenn dies nicht zum Ziel führt, dann sollte ein weiteres Gespräch mit dem/der Studierenden geführt werden, bei dem eine_n Zeugen/Zeugin dabei ist. In diesem Gespräch sollte dem/der Studierenden ganz deutlich aufgezeigt werden, welche Konsequenzen drohen, wenn das Arbeitsverhalten nicht geändert wird (z. B. schlechte Note oder ein Nichtbestehen). Es sollte klare und überprüfbare Vereinbarungen über das weitere Vorgehen getroffen und schriftlich festgehalten werden. Dies ist besonders wichtig, falls es zum Rechtsfall kommen sollte. Das Flussdiagramm in Abbildung (7) fasst diese Schritte nochmal zusammen.
. Dort gibt es auch weiterführende Literaturtipps. Tipps zum Umgang mit Jammern und Nörgeln in Beratungsgesprächen finden Sie hier
Wie gehe ich mit der Bewertung um?
Lehrende sollten sich immer bewusst sein, dass eine wirklich objektive Bewertung wahrscheinlich nie möglich sein wird. Was aber möglich ist, ist eine faire und transparente Bewertung. Um dies zu erreichen braucht es zwei Grundzutaten: (a) klare, einheitliche Kriterien und (b) ein geschärftes Bewusstsein für Qualitätsstandards, was diese Kriterien letztendlich ja sind, und Übung in der Anwendung dieser Kriterien.
Zu (a): Wenn es am Fachbereich bereits einen Bewertungsbogen mit Kriterien gibt, sollten Betreuer_innen diesen nicht nur nutzen, sondern auch mit Kolleg_innen über deren Erfahrungen mit diesem Bewertungsbogen sprechen, die Stärken und Schwächen reflektieren und ggf. den Bewertungsbogen im Team überarbeiten. Falls es einen solchen Bewerbungsbogen nicht gibt, sollten Betreuer_innen unbedingt einen entwickeln, ggf. gemeinsam mit Kolleg_innen. Der Bewertungsbogen bzw. die darin enthaltenen Bewertungskritierien sollten allen Kandidat_innen zugänglich sein, dass diese wissen, anhand welcher Kriterien ihre Arbeiten bewertet werden.
Zu (b): Ein Gespür und Bewusstsein dafür, wann die Kriterien wie gut erfüllt sind, können Betreuer_innen entwickeln, indem sie Arbeiten anschauen, die andere korrigiert haben und mit Kolleg_innen über zu korrigierende Arbeiten sprechen.
Was fließt in die Bewertung ein?
Je nach Fach und Prüfungsordnung werden sich Bewertungskriterien u. U. stark unterscheiden. Folgende Bereiche könnten in die Bewertung von Abschlussarbeiten einfließen:
- Die äußere Form: Entspricht die Arbeit den formalen Vorgaben des Fachbereichs? Ist sie frei von Tipp- und Typographie-Fehlern?
- Sprache: Ist sie grammatisch richtig? Ist sie dem Fachgebiet angemessen?
- Inhalt: Gibt es eine sinnvolle Forschungsfrage? Ist die Argumentation stringent an dieser Frage ausgerichtet? Wird das eigene Vorgehen am Ende kritisch reflektiert? Werden die Ergebnisse sinnvoll diskutiert und interpretiert?
- Forschungsliteratur: Sind die relevanten Quellen genutzt? Wird die eigene Arbeit in den Forschungskontext eingeordnet? Sind die Quellen sachlich angemessen und sprachliche richtig eingearbeitet?
- Methode: Ist die Methode der Fragestellung angemessen? Wird die Methode so klar und verständlich dargestellt, dass die Studie replizierbar wäre? Werden die Daten sachlich angemessen dargestellt und präsentiert?
Neben den Kriterien muss auch deren Gewichtung durchdacht werden.
Die Korrektur der Arbeit
Der Korrektur- und Bewertungsprozess kann eine Hürde darstellen, denn selbst brillante Abschlussarbeiten brauchen Zeit, bis sie gelesen sind. Folgende Tipps können helfen, diese Hürde niedrig zu halten:
Abschlussarbeiten schnell anfangen zu lesen und dranbleiben
Erstellen und Nutzen eines verbalisierten Bewertungsrasters, das die Noten oder Prozentwerte in eine sprachliche Klassifikation übersetzt, erleichtert das Gutachtenschreiben ungemein. Beispielsweise könnte die Verortung der Arbeit im Forschungsgebiet auch bei einem sehr spezialisierten Thema sehr klar nachvollziehbar sein, was einem „sehr gut“ entspräche; wenn die Verortung aber teils unklar bleibt, wäre dies nur ein „befriedigend“.
Bei schwachen Arbeiten auch einen Blick auf die kleinen Stärken haben, die es eigentlich auch in schwächeren Arbeiten immer gibt.
Einen Gutachtenentwurf sofort nach dem Lesen schreiben, diesen Entwurf wenige Tage liegen lassen, mit Abstand nochmal lesen, korrigieren und fertig stellen.
