Welche Feedbackformen können Lehrende nutzen?
16.01.2025
Feedback in der Hochschullehre: Wie Rückmeldungen während des Lernprozesses das selbstregulierte Lernen fördern und Studierende gezielt unterstützen.

In der Hochschullehre spielt Feedback eine zentrale Rolle, um den Lernprozess von Studierenden zu lenken und das selbstregulierte Lernen zu unterstützen. Allerdings wird dieses lernförderliche Potenzial von Feedback nicht immer ausgenutzt. Rückmeldungen werden – wenn überhaupt – häufig erst nach dem Abschluss einer Lehrveranstaltung im Zuge der Leistungsbewertung gegeben. In diesem Beitrag erfahren Sie, mit welchen Feedbackformen Sie selbstreguliertes Lernen Studierender fördern.
Was ist Feedback?
Bei Feedback handelt es sich um eine Rückmeldung zum aktuellen Leistungsstand oder einem aktuellen Verhalten der Lernenden. Es kann bereits während der Bearbeitung von Lernaufgaben, aber auch erst nach Beendigung gegeben werden. Durch Feedback werden also Informationen übermittelt, die einen Vergleich der persönlichen Leistung mit einem zuvor (durch die Lehrperson oder Lernende selbst) festgelegten Lernziel oder Standard ermöglichen. Der Hauptzweck von Feedback ist es, die Lernenden darin zu unterstützen, bestehende Lücken zu erkennen und zu schließen, um die eigene Leistung entweder zu verbessern oder aufrechtzuerhalten (Wiesniewski & Zierer, 2023).
Um die Funktionen von Feedback für den Lernprozess besser zu verstehen ist es zunächst wichtig, zwischen den formativen und summativen Funktionen von Prüfungen (engl. Assessment) zu unterscheiden (Schaper, 2021). Während formative Assessments als diagnostisches Werkzeug im Verlauf des Lernprozesses gegeben wird, erfolgt ein summatives Assessment im Rahmen der Leistungsbewertung, wie es typischerweise nach Prüfungen oder am Ende einer Lehrveranstaltung der Fall ist. Hierbei geht es also um den Zeitpunkt der Rückmeldungen. Gerade summatives Assessment beschränkt sich häufig auf eine Note (leistungsbezogenes Feedback), aus der Studierende wenig Rückschlüsse für zukünftiges Lernen ziehen können. Feedback, das im Rahmen von formativen Assessments gegeben wird, liefert den Studierenden hingegen schon während ihres Lernprozesses wertvolle Informationen, um ihren aktuellen Stand besser nachvollziehen und gezielt an ihren Schwächen arbeiten zu können und ist somit weit mehr als nur eine Zwischenbeurteilung. Es unterstützt die Studierenden aktiv beim Lernen, indem es ihnen ermöglicht, ihren Lernprozess bewusst zu steuern. Feedback bezieht sich also nicht nur auf die Lernleistung an sich, sondern auch auf das strategische Vorgehen beim Lernen, z.B. die Wahl von Bearbeitungs- und Lernstrategien. Es soll Studierende idealerweise dazu befähigen, ihre Lücken zum Lernziel möglichst eigenständig zu schließen. Diese Art des Feedbacks steht in direktem Zusammenhang mit der Förderung des selbstregulierten Lernens, da es den Lernenden hilft, Lernziele zu erkennen, ihre Strategien anzupassen und sich auf spezifische Verbesserungen zu fokussieren. Feedback hilft außerdem die Fähigkeit zu selbstreguliertem Lernen weiterzuentwickeln.
Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt Feedback gegeben wird, hat es unterschiedliche Funktionen im Lernprozess. Hattie und Timperley (2007) unterscheiden zwischen Feed-Up, Feed-Back und Feed-Forward.
Beim Feed-Up erhalten Studierende Informationen über die Standards, Ziele und Kriterien, die ihre Lernaktivitäten leiten. Dies könnte beispielsweise durch die Erläuterung von Bewertungskriterien für Haus- oder Abschlussarbeiten erfolgen. Auch die Verdeutlichung von Lernzielen in einer Lehrveranstaltung bewirkt, dass Studierende wissen, worauf sie hinarbeiten sollen.
Feed-Back bezieht sich auf die Rückmeldung zum aktuellen Stand der Zielerreichung. Hierbei wird den Studierenden klar aufgezeigt, wie nah sie den gesetzten Zielen bereits gekommen sind, was ihnen hilft, ihren Fortschritt zu bewerten.
Feed-Forward bietet Orientierung für die nächsten Schritte. Es klärt auf, wie sich die Studierenden weiter verbessern können und welche Maßnahmen sie ergreifen sollten, um ihre Lernziele erfolgreich zu erreichen.
Unter inhaltlichen Gesichtspunkten kann Feedback auf unterschiedlichen Ebenen gegeben werden (Hattie & Timperley, 2007): Aufgabe, Prozess, Selbstregulation und Selbst (vgl. Abbildung 1). Dabei bezieht sich Feedback auf der Aufgabenebene auf die spezifischen Leistungen oder Ergebnisse einer Aufgabe, während die Prozessebene sich mit den Strategien und Methoden befasst, die zur Aufgabenbewältigung eingesetzt wurden. Beispielsweise könnte ein*e Lehrende*r auf Aufgabenebene die Rückmeldung geben, dass beim bisherigen Ergebnis nicht alle Teile der Aufgabenstellung korrekt berücksichtigt wurden, und mit einem Feedback auf Prozessebene die Studierenden dazu auffordern, über ihre gewählten Bearbeitungsstrategien nachzudenken und alternative Herangehensweisen zu erwägen. Die Selbstregulationsebene fokussiert darauf, wie Studierende ihren eigenen Lernprozess steuern und überwachen können. Beispielsweise könnten Studierende beim Lesen eines Textes dazu angehalten werden zu identifizieren, was die zentralen Konzepte sind. Feedback auf der Selbstebene bezieht sich auf die Persönlichkeit der Lernenden, z.B. auf ihre Intelligenz und/oder Talente. Dies ist in der Hochschullehre kritisch zu sehen und sollte daher nicht angewendet werden, weil Studierende daraus keine Informationen erhalten, die ihnen für eine Veränderung nützlich sein könnten. Außerdem könnte Feedback zur Selbstebene auch zur Reduktion von Anstrengung führen.
Einfache vs. elaborierte Feedbackformen: Welche möglichen Inhalte kann Feedback beinhalten?
Beim Thema Feedback lautet eine zentrale Frage: Wie viele Informationen erhalten die Studierenden? Grundsätzlich gilt: Je gehaltvoller das Feedback, desto besser kann es für das weitere Lernen genutzt werden. Anhand des Informationsgehalts lassen sich verschiedene Formen von Feedback unterscheiden (Narciss, 2006; vgl. Tabelle 1 ):
Wie in Tabelle 1 zu sehen, liefert einfaches Feedback grundlegende Hinweise zur Bearbeitung einer Aufgabe. Es informiert darüber, ob diese korrekt oder falsch gelöst wurde, welcher Anteil der Lösungen korrekt ist, oder welche Antwortalternativen (bei geschlossenen Aufgaben) richtig gewesen wären.
Elaboriertes Feedback bietet darüber hinaus Erklärungen, die den Lösungsprozess unterstützen. In englischsprachigen Publikationen wird nicht von elaboriertem, sondern von „high information feedback“ (Wiesniewski, Zierer & Hattie, 2020) gesprochen. Die Begriffe elaboriertes Feedback und „high information feedback“ sind zwar keine 1:1 Übersetzungen, stehen jedoch im Wesentlichen für dasselbe Konzept: Es geht darum, dass das Feedback möglichst viele gehaltvolle Informationen bereitstellt, welche die Lernenden einsetzen können, um ihren Lernprozess strategisch zu optimieren und zu verbessern. Diese Informationen können beispielsweise Hinweise auf Bearbeitungsregeln, Ursachen für Fehler oder Erläuterungen sein, die verdeutlichen, was noch fehlt, um das Ziel zu erreichen. Elaboriertes Feedback enthält zudem oft Anregungen zur Selbstregulation des Lernens, wie Vorschläge für kognitive und metakognitive Lernstrategien. Diese können den Lernenden dabei helfen, ihren eigenen Lernprozess zu reflektieren und ein besseres Ergebnis zu erzielen. Ein Beispiel für ein elaboriertes Feedback auf das Exzerpt einer/s Studierenden könnte demzufolge lauten: „Du hast die Kernaussagen des Papers gut zusammengefasst, aber es fehlt die geforderte kritische Reflexion der Argumente. Stelle dir beim Lesen folgende Fragen: Welche Annahmen machen die Autor*innen? Wie stichhaltig sind ihre Argumente? Welche Fragen bleiben offen?“
Lehrenden-Feedback und Feedback, das von Studierenden für sich selbstgeneriert wird
In der Hochschullehre wird der Begriff Feedback häufig als Rückmeldung von Lehrenden an die Lernenden aufgefasst, während der Begriff in der psychologischen Lehr-Lern-Forschung deutlich weiter gefasst wird: Feedback umfasst unter dieser Betrachtungsweise alle Rückmeldungen, die Studierenden nach der Bearbeitung einer Aufgabe oder eines Teils davon gegeben werden. Ziel ist es, ihnen ein tieferes Verständnis ihres aktuellen Lernstandes zu vermitteln und sie dabei zu unterstützen, ihren Lernprozess gezielt auf ihre Ziele hin auszurichten (Narciss, 2017).
Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Lehrperson bei der Bereitstellung von Feedback gar nicht so sehr im Fokus stehen muss, wie es oftmals angenommen wird. Stattdessen sollte Lehre so gestaltet sein, dass internes Feedback, das durch die Lernenden selbst generiert wird, im Fokus steht (vgl. nächster Abschnitt). Ergänzendes externes Feedback kann nicht nur durch Lehrende, sondern auch durch Tutor*innen und andere Lernende gegeben werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, technologiegestützte Rückmeldungen zu geben, zum Beispiel durch eine automatisierte Auswertung von Aufgaben in einer Lernplattform wie Moodle oder KI-gestützt mit Hilfe von virtuellen Lernassistent*innen.
Feedback im Selbstregulationszyklus
Dass in erster Linie die Studierenden selbst daran beteiligt sind, sich durch interne Prozesse Feedback zu geben, und dass Lehrende, Peers und Technologie in diesem Prozess eher unterstützende Funktionen einnehmen, verdeutlicht auch der Blick auf die Bedeutung von Feedback beim selbstregulierten Lernen. bezieht sich darauf, wie Lernende aktiv ihre Lernprozesse planen, überwachen und bewerten. Viele Modelle des selbstregulierten Lernens betonen, dass es sich um einen mehrschrittigen, zyklischen Prozess handelt (Panadero, 2017). Die zyklische Natur der Modelle impliziert, dass Informationen und Ergebnisse, die in einer bestimmten Lernsituation gewonnenen wurden, als Grundlagen für spätere Lernerfahrungen genutzt werden. Selbstreguliertes Lernen
Feedback stellt im Selbstregulationszyklus also diagnostische Rückmeldungen dar, die die Grundlage für strategische Anpassungen und Verbesserungen bilden und zur Gestaltung des weiteren Lernprozesses genutzt werden sollen. Beispielsweise könnte ein/e Studierende*r auf der Basis von Feedback seine Herangehensweise an eine Aufgabenstellung abändern und alternative, zielführendere Bearbeitungsstrategien einsetzen. Mögliche Konsequenzen von Feedback bestehen nicht nur darin, neue Wege zur Bearbeitung zu finden, sondern ggf. auch die Ziele anzupassen. Das Anpassen von Zielen beim selbstregulierten Lernen ist somit nicht als Scheitern zu betrachten, sondern als ein wichtiger Teil des Lernprozesses. Ein Beispiel wäre jemand, der oder die ursprünglich geplant hatte, sich auf ein bestimmtes Schwerpunktthema zu spezialisieren. Nach dem Besuch relevanter Kurse und aufgrund des erhaltenen Feedbacks zu den eigenen Leistungen entscheidet sich die Person jedoch für einen anderen Schwerpunkt, der besser zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt.
Rahmenmodell des selbstregulierten Lernens und der Wirkung formativer Assessments
Das Rahmenmodell des selbstregulierten Lernens und der Wirkung formativer Assessments von Nicol und Macfarlane-Dick (2006, siehe Abbildung 2) hebt die zentrale Rolle von Feedback im Prozess des selbstgesteuerten Lernens hervor. Es wird deutlich, dass die Lernziele zunächst von der Lehrperson vorgegeben werden. Diese Ziele treffen auf die individuellen Voraussetzungen der Studierenden, zu denen fachspezifisches und lernstrategisches Vorwissen sowie motivationale Überzeugungen gehören, die die Grundlage für das Lernen bilden. Auf dieser Basis formulieren die Studierenden ihre persönlichen Lernziele, die nicht unbedingt vollständig mit den vorgegebenen Zielen der Lehrperson übereinstimmen müssen. Anhand ihrer persönlichen Zielsetzungen wählen sie geeignete Vorgehensweisen und Strategien, um ihre Ziele zu erreichen. Diese internen Prozesse resultieren in Lernergebnissen, die durch beobachtbare Leistungen sichtbar und messbar gemacht werden.
Das Modell (Nicol & Macfarlane-Dick, 2006) unterscheidet zwischen zwei Arten von Feedback: intern und extern. Es verdeutlicht, dass die Generierung von Feedback primär ein interner Prozess ist, der jedoch durch externes Feedback von Lehrenden, Peers oder Technologien unterstützt werden kann. Externes Feedback kann erst gegeben werden, nachdem die internen Lernergebnisse durch konkrete Leistungen sichtbar gemacht wurden. Internes, von den Lernenden selbst generiertes Feedback, ist hingegen in jedem Schritt des selbstregulierten Lernprozesses essenziell für Denkprozesse, Lernmotivation und Verhalten. Es beeinflusst bereits die Aktivierung des Vorwissens und die Festlegung persönlicher Lernziele.
Das Modell (Nicol & Macfarlane-Dick, 2006) in Abbildung 2 verdeutlicht, dass selbstreguliertes Lernen nur dann erfolgreich sein kann, wenn interne und externe Feedbackquellen von den Lernenden aktiv miteinander in Bezug gesetzt werden. Beispielsweise müssen ganz zu Beginn des Lernprozesses unter anderem die Ziele, die die Lehrperson verfolgt, mit den individuellen, persönlichen Lernzielen abgeglichen werden. Klassischerweise verfolgen die Lehrenden das Optimum, dass alle Lernenden den Stoff vollständig durchdringen. Studierende setzen jedoch häufig eigene thematische Schwerpunkte oder wollen die Veranstaltung lediglich bestehen. Dazu müssen die von der Lehrperson vorgegebenen Ziele in persönliche Lernziele abgeändert werden. Ein fortwährender Abgleich zwischen internen und externen Feedbackinformationen ist auch in den nachfolgenden Schritten des selbstregulierten Lernens erforderlich (Narciss, 2017). Eine zentrale Aufgabe für die Lernenden besteht dabei im metakognitiven Überwachen (engl. Monitoring) des Lernprozesses (Nicol & Macfarlane-Dick, 2006). Dabei stellen sich die Lernenden Fragen wie „Verstehe ich den Stoff wirklich, oder ist noch etwas unklar?“, „Sollte ich eine andere Lernstrategie wählen, um das Thema zu bearbeiten?“ oder „Setze ich meine begrenzte Lernzeit zielführend ein?“. Die Lernwirksamkeit von externem Feedback hängt somit sehr stark von den (internen) Verarbeitungsprozessen der Lernenden ab: Falls den von der Lehrperson intendierten Lehrzielen keine Beachtung geschenkt wird oder die Lehrziele nicht mit den persönlichen Lernzielen übereingebracht werden können, misslingt das Feed-Up. Beispielsweise teilen Lehrende vor Präsentationen oder Hausarbeiten oft formale Anforderungen oder Bewertungskriterien mit, die jedoch von den Studierenden nicht immer berücksichtigt werden. Weitere Hürden für die Nutzung von Feedback im selbstregulierten Lernprozess bestehen unter anderem darin, dass bei den Lernenden nicht ausreichend Motivation vorhanden ist, Fehler zu korrigieren oder Herausforderungen aktiv in Angriff zu nehmen.
Feedbacknutzung als Schlüssel zur Entwicklung von Lernexpertise und Eigenverantwortung
Eine unzureichende Nutzung von Feedbackinformationen beim selbstregulierten Lernen ist besonders deswegen ungünstig, weil Ergebnisse des Lernprozesses in zukünftige Lernsituationen nicht genutzt werden können. Studierende machen dann z.B. wieder die gleichen Fehler. Ferner können Feedbackinformationen auch die motivationale Haltung gegenüber dem Lernen beeinflussen. Bei effektiver Nutzung können sie den Lernenden helfen, ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren, ihre Lernstrategien anzupassen und somit kontinuierlich ihre Leistungen zu verbessern. Darüber hinaus stärkt ein bewusster Umgang mit Feedback die Fähigkeit zur Selbstreflexion und fördert eine positive und proaktive Einstellung zum eigenen Lernprozess. So entwickeln sie sich weiter, um nach und nach zu Expert*innen für ihr eigenes Lernen zu werden. Dies trägt dazu bei, die Eigenverantwortung der Studierenden zu erhöhen und sie langfristig auf ihren Bildungsweg und darüber hinaus vorzubereiten. Wie diese Nutzung von Feedbackinformationen durch Studierende didaktisch angeregt und unterstützt werden kann, wird im nachfolgenden Abschnitt aufgezeigt.
