KI sinnvoll in der Lehrplanung einsetzen
11.07.2025
Nutzen Sie KI-Tools gezielt und didaktisch sinnvoll, um Ihre Lehrveranstaltungen effizienter und strukturierter zu gestalten.

Auf Knopfdruck vorbereitet? Lehrplanung mit generativer KI
Künstliche Intelligenz verändert die Vorbereitung von Hochschullehre grundlegend: Chatbots entwerfen Lehrpläne, formulieren Lernziele und liefern methodische Impulse. Was früher zeitaufwendig war, ist heute per Knopfdruck verfügbar.
Der Beitrag beschreibt, wie Lehrende KI-Tools sinnvoll in der Lehrplanung einsetzen können, welche Prompting-Strategien sich bewährt haben und wo didaktische Verantwortung bleibt. Ziel ist ein fundierter, praxisnaher Zugang zum Einsatz generativer KI – jenseits von Hype und Ablehnung.
Auf den Punkt gebracht
Effizienz steigern: Lehrende können durch KI-Tools assistiert schnell grobe Entwürfe für Lehrveranstaltungen erstellen
Diversität fördern: KI-Tools bieten die Möglichkeit Inhalte von Lehrveranstaltungen individualisieren, um diversen Bedarfen der Studierenden gerecht zu werden
Aktivierungen nutzen: Allen voran Chatbots können verschiedene Aufgaben wie Quizze erzeugen, die das aktive Lernen fördern
Aber Achtung: Generierte Inhalte neigen zu Ungenauigkeiten und können eine unzureichende Tiefe aufweisen
KI zwischen Effizienzgewinn und Gestaltungsanspruch
Ob Seminar oder Vorlesung – Lehrende treffen zahlreiche didaktische Entscheidungen. Generative KI-Tools wie ChatGPT oder Claude bieten dabei neue Unterstützung: Sie helfen beim Strukturieren von Inhalten, Formulieren von Lernzielen oder Entwickeln methodischer Varianten – schnell, dialogisch und oft kreativ. Erste Studien zeigen: Gerade in der frühen Lehrvorbereitung empfinden viele Lehrende diese Assistenz als entlastend (Gimpel et al. 2023; Eger & Brunton 2023).
Doch mit den neuen Möglichkeiten stellen sich auch Fragen: Was kann an KI delegiert werden – und was nicht? Wo liegt die Grenze zwischen technischer Hilfe und pädagogischer Verantwortung?
Konkrete Anwendung – drei Szenarien für den Einstieg
Die Stärke generativer KI liegt nicht allein in ihrer Geschwindigkeit oder Textkompetenz, sondern in ihrer Fähigkeit, strukturierte Vorschläge auf der Grundlage kurzer und doch ausführlicher Anweisungen (Prompts) zu liefern. In der Lehrvorbereitung bedeutet das: Lehrende können mit einfachen Texteingaben erste Entwürfe für Lehrpläne, Lernziele, methodische Bausteine oder Prüfungsformate erhalten – und diese im weiteren Verlauf didaktisch überarbeiten, vertiefen oder verwerfen (Schaper 2024; Scheiter et al. 2025).
Szenario 1: Strukturvorschläge für eine neue Lehrveranstaltung
Ausgangslage
Sie stehen vor der Aufgabe, ein neues Seminar zu konzipieren – etwa im Rahmen eines Modulwechsels oder einer Vertretung. Ihnen fehlen noch Ideen zur sinnvollen Sequenzierung der Themen.
Prompt-Beispiel
„Du bist Expert:in für Hochschuldidaktik. Erstelle einen 12-wöchigen Lehrplan für ein Seminar im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft zum Thema ‚Demokratische Partizipation‘. Die Studierenden befinden sich im 3. Semester. Baue methodische Abwechslung und aktivierende Elemente ein.“
Ergebnis
Die KI erstellt typischerweise einen tabellarischen Überblick mit Sitzungsthemen, methodischen Hinweisen und ggf. Impulsfragen. Dieser Entwurf kann als Diskussionsgrundlage, Inspiration oder erste Arbeitsfassung genutzt werden.
Didaktischer Hinweis:
Nutzen Sie die KI-Ausgabe als Rohfassung. Passen Sie Reihenfolge, Tiefenschärfe und Komplexitätsgrad an Ihre Zielgruppe und Ihre Lehrphilosophie an.
Szenario 2: Lernziele formulieren und auf Prüfungsformate abstimmen
Ausgangslage
Sie möchten Lernziele für eine Veranstaltung entwickeln – idealerweise abgestuft nach kognitiven Niveaus (z. B. nach Anderson & Krathwohl). Zudem suchen Sie passende Prüfungsformate.
Prompt-Beispiel
„Du bist professionell in der Hochschuldidaktik ausgebildet. Formuliere drei Lernziele zum Thema ‚Digitale Souveränität‘ im Masterstudiengang Medienpädagogik auf den Stufen ‚Verstehen‘, ‚Analysieren‘ und ‚Bewerten‘. Gib außerdem je ein geeignetes Prüfungsformat an.“
Ergebnis
Die KI liefert Zielformulierungen mit Operatoren wie „erläutern“, „vergleichen“ oder „bewerten“ sowie Vorschläge wie: Essay, Fallanalyse, Gruppenpräsentation. Diese lassen sich direkt in die Modulplanung integrieren oder als Diskussionsgrundlage im Kollegium verwenden.
Didaktischer Hinweis
Fragen Sie zusätzlich nach Begründungen („Erkläre, warum dieses Prüfungsformat zu diesem Ziel passt.“), um die didaktische Anschlussfähigkeit zu erhöhen.
Szenario 3: Methodenrecherche und Aktivierungselemente
Ausgangslage
Ihre Veranstaltung soll aktivierend gestaltet werden, aber Sie suchen Anregungen jenseits der klassischen Gruppenarbeit.
Prompt-Beispiel
„Nenne fünf aktivierende Methoden für ein Seminar zum Thema ‚Theorien sozialen Wandels‘. Die Zielgruppe sind Bachelorstudierende im 4. Semester. Die Methoden sollen Diskussion, Perspektivwechsel und Reflexion fördern.“
Ergebnis
Typische Vorschläge sind z.B. Fishbowl, Pro-und-Contra-Debatte, Rollenreflexion, Blitzlicht-Methode, digitale Umfragen. Teilweise werden auch Umsetzungsvarianten mitgeliefert.
Didaktischer Hinweis
Hinterfragen Sie, ob die vorgeschlagenen Methoden zur Gruppengröße, Raumform, Zeitstruktur und zur didaktischen Zielsetzung passen – nicht jede Methode ist universell einsetzbar.
Erste Schritte, große Wirkung
Diese drei Szenarien zeigen exemplarisch, wie sich generative KI als didaktisches Planungsinstrument einsetzen lässt – mit geringen Einstiegshürden, aber hohem Potenzial zur Entlastung. Entscheidend ist, dass die KI nicht als Endlösung, sondern als Impulsgeber im Planungsprozess verstanden wird. So kann der Revisionsbedarf des Outputs gegebenenfalls höher ausfallen als zu Anfang erwartet (Hein & Illgen, 2024). Entsprechend können KI-Tools zwar eine Entlastungstechnologie darstellen, sollten aber eher in Form eines KI-gestützten Dialogs verstanden werden (Hashem et al. 2024).
Was ein guter Prompt enthält
Erfolgreiches Prompting folgt keiner festen Norm, aber es lassen sich fünf zentrale Gestaltungselemente identifizieren:
Element | Beispielhafte Anwendung |
---|---|
Rolle | „Du bist Expert:in für Hochschuldidaktik an einer Fachhochschule…“ |
Aufgabe | „…entwickle einen didaktischen Ablaufplan für ein 90-minütiges Seminar…“ |
Kontext | „…die Studierenden sind im 2. Semester eines BA-Studiengangs mit heterogenen Vorkenntnissen…“ |
Output-Format | „…gib die Struktur als Tabelle mit Spalte Thema, Methode, Material aus…“ |
Ton/Schreibstil | „…formuliere in sachlich-akademischem Stil.“ |
Beispiel für einen vollständigen Prompt: „Du bist Expert:in für Hochschuldidaktik. Erstelle einen tabellarischen 12-Wochen-Plan für ein Seminar zum Thema ‚Kritisches Denken in den Sozialwissenschaften‘ für Bachelorstudierende im 5. Semester. Plane Sitzungen à 90 Minuten, baue aktivierende Methoden ein und gib jeweils das Ziel der Sitzung an.“ |
Iteratives Vorgehen: Im Dialog mit der KI
Ein einmal formulierter Prompt ist selten endgültig. Vielmehr bietet KI die Möglichkeit, im Dialog schrittweise zu verfeinern:
- Nachfragen stellen: „Kannst du für Sitzung 5 alternative Methoden vorschlagen?“
- Ausgaben umformatieren: „Bitte gib das Ergebnis als Fließtext statt als Tabelle aus.“
- Stilvarianten erzeugen: „Formuliere die Lernziele nun in studentischer Sprache.“
Solche Nachbearbeitung kann aus einem generischen Entwurf einen tragfähigen didaktischen Vorschlag machen – und nutzt das volle Potenzial des Tools.
Häufige Fehler beim Prompting – und wie man sie vermeidet
Guter Prompt | Schlechter Prompt |
---|---|
„Plane ein 6-sitziges BA-Seminar zum Thema X mit aktivierenden Methoden und Prüfungsform.“ | Zu vage: „Plane ein Seminar.“ |
„Nenne drei aktivierende Methoden zur Einführung in Thema X für heterogene Studienanfänger:innen.“ | Kein Kontext: „Was sind gute Methoden?“ |
Große Aufgaben in Teilschritte gliedern: erst Themen, dann Methoden, dann Prüfungsformate. | Zu viele Aufgaben in einem Prompt |
Prompt Literacy als neue didaktische Kompetenz
Gutes Prompting ist kein Selbstzweck, sondern ein zentrales Element der digitalen Lehrkompetenz. Wer Prompts präzise formulieren kann, schafft sich neue didaktische Freiräume – ohne die Steuerung aus der Hand zu geben.
Grenzen, Risiken und Verantwortung – reflektierter Einsatz von KI in der Lehrplanung
So faszinierend die Möglichkeiten generativer KI auch sind – sie sind nicht ohne Einschränkungen, Ambivalenzen und Herausforderungen. Wer KI in der Lehrvorbereitung nutzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Tools keine neutralen, allwissenden Assistent:innen sind (Farrokhnia et al. 2024). Vielmehr beruhen sie auf statistischen Wahrscheinlichkeiten, proprietären Trainingsdaten und eingeschränkter Transparenz. Das hat nicht nur technische, sondern auch didaktische und ethische Implikationen.
Qualität der Ergebnisse: Scheinpräzision und Echtheit
Generative KI erzeugt Inhalte mit beeindruckender sprachlicher Sicherheit. Diese Scheinpräzision birgt jedoch das Risiko, dass fehlerhafte oder unplausible Inhalte übersehen werden. Lehrpläne können logisch wirken, ohne didaktisch stimmig zu sein; Lernziele mögen gut klingen, aber auf einer falschen Taxonomiestufe liegen.
Reflexionsfrage
Entspricht die von der KI vorgeschlagene Struktur tatsächlich einem stimmigen didaktischen Aufbau – oder wirkt sie nur logisch?
Empfehlung
Behandeln Sie KI-Ausgaben nicht als Ergebnis, sondern als Rohmaterial, das fachlich und didaktisch überprüft werden muss.
Transparenz und Quellenkritik
KI-Tools wie ChatGPT oder Gemini geben in der Regel keine verlässlichen Quellen an. Das bedeutet: Sie wissen nicht, auf welchen Theorien, Studien oder Standards die Vorschläge beruhen – oder ob sie überhaupt empirisch fundiert sind.
Reflexionsfrage
Entspricht das, was mir die KI vorschlägt, dem fachlich und hochschuldidaktisch etablierten Stand?
Empfehlung
Verwenden Sie bei Bedarf Tools wie Consensus oder Elicit, die wissenschaftliche Studien und Quellen ausgeben – prüfen Sie aber auch hier die Quellen.
Datenschutz und sensible Inhalte
Die Nutzung externer KI-Dienste kann problematisch sein, wenn personenbezogene Daten oder interne Dokumente (z.B. Prüfungsfragen, Notenverteilungen, vertrauliche Modulbeschreibungen) eingegeben werden. Viele Dienste speichern Eingaben zur Modelloptimierung.
Reflexionsfrage
Gebe ich durch die Nutzung externer KI-Dienste Informationen preis, die dem Datenschutz oder der Vertraulichkeit unterliegen?
Empfehlung
Verwenden Sie institutionell bereitgestellte, datenschutzkonforme KI-Zugänge und verzichten Sie auf die Eingabe personenbezogener oder prüfungsrelevanter Daten.
Didaktische Verantwortung bleibt menschlich
KI kann Vorschläge liefern – aber nicht entscheiden, welche Inhalte fachlich relevant sind, welche Methode zur Gruppendynamik passt oder welche Prüfungsform fair und lernzielgerecht ist. Diese Verantwortung bleibt bei der Lehrperson. Wer KI-Ausgaben unreflektiert übernimmt, riskiert eine technische Rationalisierung statt einer pädagogischen Gestaltung.
Reflexionsfrage
Nutze ich KI als Unterstützung – oder überlasse ich ihr (unbewusst) Entscheidungen, die meiner fachlichen und didaktischen Verantwortung unterliegen?
Empfehlung
Nutzen Sie KI als Sparringspartner:in, nicht als didaktische Steuerungsinstanz. Binden Sie didaktische Prinzipien (z. B. Constructive Alignment ) bewusst ein.
Didaktische Integrität und Authentizität
Der Einsatz von KI verändert das Selbstverständnis von Lehrenden: von der alleinigen Wissensquelle zur kuratierenden, moderierenden und konzipierenden Rolle. Diese Transformation erfordert neue Haltungen – insbesondere gegenüber Studierenden.
Reflexionsfrage
Wie verändert der Einsatz von KI mein Selbstverständnis als Lehrperson – und wie bewusst gestalte ich diesen Rollenwandel?
Empfehlung
Seien Sie transparent im Umgang mit KI in der Lehre. Machen Sie kenntlich, welche Elemente KI-gestützt entstanden sind, und definieren Sie bewusst Grenzen für deren Einsatz. So fördern Sie Vertrauen und behalten die didaktische Verantwortung.
KI – nur ein Werkzeug unter vielen
Künstliche Intelligenz kann Prozesse erleichtern, aber nicht didaktische Verantwortung ersetzen. Die Aufgabe der Hochschuldidaktik bleibt es, Qualität, Passung und Sinnhaftigkeit der Lehre zu sichern. KI ist dabei ein Werkzeug unter vielen – leistungsstark, aber nicht allwissend.
