Lernergebnisse

Was lernen Studierende durch schreibintensives Lernen?

„Die Studierenden in den Umgang mit Wissen einzuführen, ist Sinn des Schreibens im Studium. Für diesen Lernprozess gibt es eigene didaktische Genres wie die Seminararbeit oder das Thesenpapier, die von den Lernenden verlangen, sich Wissen anzueignen und es gleichzeitig in eine akzeptable sprachliche Form zu bringen. Schreiben im Studium heisst also primär, Wissen in Wissen zu transformieren. Dabei nutzen die Lernenden das Schreiben als Mittel, um Fachwissen zu erwerben (writing to learn), und das Fachwissen als Mittel, um wissenschaftliches Schreiben zu lernen (learning zu write).“ (Kruse, O., 2012, S. 7)

Lesen und Schreiben fordern und fördern die Präzision im Denken und damit den Erwerb von fachlichem Wissen (fachlichen Ideen, zentralen Zusammenhängen und Vorgehensweisen des Faches etc.).

Durch Lesen und Verfassen von ersten wissenschaftlichen Essays oder Texten werden Studierende dazu aufgefordert, sich intensiv mit dem Inhalt auseinander zu setzen; das fordert und fördert das tiefere Verstehen von Fachinhalten. Denn erst beim Schreiben bemerken Studierenden, ob sie den Sachverhalt vollständig durchdrungen und verstanden haben. Darüber hinaus erwerben Studierende durch das Schreiben in den Fächern nicht nur allgemeine Kenntnisse (Regeln, Textsorten und ) über das wissenschaftliche Schreiben, sondern sie erlernen diese auf die Regeln, Konventionen und Stile des jeweiligen Faches bezogen.

So bietet das Schreiben im Studium sozusagen als „Vehikel“ sehr gute Möglichkeiten für die Lernenden, sich mit fachlichen Inhalten auseinander zu setzen, diese besser zu verstehen und vertieft zu lernen. Dadurch wird auch das kritische Denken, verstanden als „eine(r) Chiffre für genaues, methodisches, hinterfragendes Denken“ (Ulmi, M. et al., S. 227) geschult. Zugleich erwerben die Lernenden damit die Konventionen der Fachsprache (worin auch Grenzen liegen) – und sie lernen durch das Verfassen von wissenschaftlichen Fachtexten darüber hinaus interdisziplinäre Fähigkeiten, die für jede akademische Tätigkeit wichtig ist: Prozess-, Problemlösungs- und Kommunikationskompetenzen.

Pohl (2007, zit. n. Ulmi et al. 2014: 219f) hat verschiedene Phasen der Entwicklung im Schreiben von wissenschaftlichen Fachtexten vorgeschlagen:

  • Niveau I: Präkonventionelles Anfangsstudium:
    Noch keine Formulierungsoptionen verfügbar, daher Konstruktion mit alltagssprachlichen Mitteln und Wahl von falschen Wortverbindungen.
  • Niveau II: Konsolidierung:
    Allgemeine wissenschaftliche Ausdrücke sind verfügbar.
  • Niveau III: Differenzierung:
    Formulierungsalternativen sind vorhanden, Konzeptualisierungen können vorgenommen werden. (Ulmi et al. 2014: 219)

Nach Pohl sind diese Niveaus – wie in allen Modellen – in der Praxis nicht strikt voneinander zu trennen, sie verweisen jedoch auf eine gewisse Erwerbslogik.

Die Abbildung verdeutlicht, wie gross die Anteile von allgemeinem Sprach- und Fachsprachwissen und disziplinspezifischem Sprachwissen in den unterschiedlichen Abschlussarbeiten der Studienstufen (B.A., Dissertation) erwartet werden.

Entsprechend den Entwicklungniveaus variieren die Schreibfokusse bei den studentischen Texten je nach Kompetenzstand und zwar – wieder nach Pohl (2007, zit. n. Ulmi et al 2014: 219f) – wie folgt:

  • Texte mit Gegenstandsbezug
  • Texte mit Diskursbezug
  • Texte mit Argumentationsbezug

„Der Schreibfokus spiegelt die Art und Weise, wie im Text mit dem Gegenstand (oder auch: dem Problem, den Inhalt, dem Thema) gedanklich umgegangen wird. So ist erwartbar, dass sich nicht nur die Entwicklungsniveaus wissenschaftlicher Schreibkompetenz unterscheiden lassen, sondern ebenso verschiedene Stufen fachlichen Lernens, die hinter unterschidlichen Textqualitäten bzw. Schreibfokussen stecken.“ (Ulmi, M., et al. 2014, S. 220).

Das Credo der neueren Schreibdidaktik und –forschung liegt zwar auf der Disziplinabhängigkeit des Schreiben Lernens, jedoch sind auch Grenzen und Gefahren einer zu starken Fokussierung auf die Fachsprachlichkeit zu benennen: Zum einen haben Fachsprachen die Tendenz zu einer Jargonisierung (i.S.v. Gebrauch von Floskeln und Standardformulierungen). Da Studierende nach ihrem Studium zumeist nicht in der Wissenschaft und ihrer wissenschaftlichen Disziplin verbleiben, haben sie es in ihrem zukünftigen Berufsfeld sicherlich mit Fachtexten und nicht unbedingt und ausschliesslich aber mit den Texten ihres studierten Faches zu tun. Und: Schreiben ist immer Denken; dadurch ist Sprache überhaupt für das Geschriebene konstitutionell – und das muss und kann nicht nur die Fachsprache sein. (Ulmi, M., et al. 2014, S. 227).

Kruse, O.: Wissenschaftliches Schreiben und studentisches Lernen. (Dossier) In: Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich. http://www.hochschuldidaktik.uzh.ch/instrumente/dossiers/Wissenschaftliches_Schreiben_def.pdf (Stand: 28.10.2015)

Pohl, T. (2007): Studien zur Orthogenese wissenschaftliches Schreiben. Niemeyer: Tübingen.

Ulmi, M./Bürki, G./Verhein, A./Marti, M. (2014): Textdiagnose und Schreibberatung. Budrich (UTB): Opladen & Toronto.