Hochschullehre für die Zukunft mit Future Skills
27.05.2024
Wir geben Tipps und zeigen Strategien, wie Sie Studierende und sich fit für die Zukunft machen.
Für Lehrende an Hochschulen gilt als zentraler Auftrag, Studierende auf ihre Zukunft vorzubereiten – beruflich und als verantwortlicher Teil der Gesellschaft. Dafür bilden wir sie fachlich, unterstützen sie beim Ausprobieren und Fördern ihre Persönlichkeitsentwicklung. Aber was müssen wir konkret tun, damit Studierende aktuelle Herausforderungen wie Klimawandel, Krieg und Flucht, Digitalisierung, Big Data und Künstliche Intelligenz bewältigen können? Eine Antwort auf diese Frage kann die Vermittlung von Future Skills in der Lehre an Hochschulen bieten.
Überblick zu Future Skills
Einen ersten Einblick über die Kompetenzen, die unter „Future Skills“ beschrieben werden, zeigt die Darstellung von Ulf-Daniel Ehlers. Die Systematiken unterschiedlicher Autor*innengruppen sind jedoch verschieden, ein einheitlicher Kanon ist bislang nicht ersichtlich (). siehe Sammlung unten
Future Skills als Weiterentwicklung von Schlüsselkompetenzen
In den letzten Jahren ist eine intensive Diskussion darüber entstanden, wie der Begriff definiert werden soll, wie er sich zum Terminus Schlüsselkompetenzen oder überfachlichen Kompetenzen abgrenzen lässt oder ob es sich nur um eine modernere Version handelt.
Future Skills können als Weiterentwicklung des Begriffs der Schlüsselkompetenzen betrachtet werden, der Schlüsselkompetenzen miteinschließt. Neu zu sein scheint die Betrachtungsweise: Denn Schlüsselkompetenzen fokussieren rein individuelle (Persönlichkeits-)Entwicklungen, während Future Skills diese mit übergreifenden gesellschaftlichen Entwicklungen ergänzen und die Orientierung an der Zukunft zum zentralen Gegenstand machen (vgl. Ehlers 2022, Kotsiou et al. 2022).
Warum sind Future Skills in der Hochschullehre so wichtig?
Wandel, Umbruch, Unsicherheit und eine damit empfundene Dynamik erleben wir täglich. Die damit verbundene Ungewissheit treibt Menschen an, die Zukunft vorhersagen zu wollen. Vorhersagen sind jedoch oft gescheitert oder vage geblieben. Genau hier setzt das Konzept von Future Skills an. Es setzt sich nicht zum Ziel die Zukunft vorauszusagen, konkrete kleinteilige Handlungsempfehlungen zu geben oder gar allumfassend zu sein. Es thematisiert stattdessen die Veränderung, indem es diese als erwartbar deklariert und dazu aufruft selbst im stetigen Wandel zu sein (vgl. Ehlers 2020).
Wir müssen notwendige Adaptionsprozesse beschreiten, um den disruptiven Veränderungen in der Gesellschaft begegnen zu können. Dies muss schnell genug und aktiv geschehen, damit unser Einfluss auf Veränderungen bestehen bleibt. Um aktiv dabei zu sein, müssen wir handlungsfähig sein und bleiben, sprich uns weiterentwickeln in Form von lebenslangem Lernen, innovative Konzepte fördern und offen für Experimente sein. Daher auch die Forderung von Gesellschaft und Wirtschaft, dass Hochschulen einen stärkeren Fokus auf Future Skills im Studium setzen sollen (vgl. Stifterverband 2021).
Additive versus integrative Vermittlung
Gemäß dem deutschen Bildungsforscher Ehlers lassen sich Future Skills zwei Verständniskategorien zuteilen: Future Skills als additiv-anreicherungsorientierte Zusatzkompetenzen und Future Skills als Teil eines integrativen Bildungskonzeptes (vgl. Ehlers 2020, 111f).
Future Skills als additiv-anreicherungsorientierte Zusatzkompetenzen
Hier verstehen sich Future Skills „als Zusatzkomponenten für Bildungsprozesse […], mit denen die eigentlichen Wissensvermittlungsvorgänge angereichert werden müssten, damit Studierende für zukünftige Tätigkeitsbereiche gut qualifiziert sind.“ (Ehlers 2020, 111)
Future Skills als Teil eines integrativen Bildungskonzeptes
Hier werden Future Skills als Teil eines integrativen Bildungskonzeptes betrachtet. Sie fokussieren den gesamten Bildungsprozess, vor allem den der Hochschulbildung. Hochschulen sollen neben der Aufgabe der Wissensvermittlung auch den Prozess der Entwicklung von Kompetenzen fokussieren (vgl. Ehlers 2020, 112). Hochschulabsolvent*innen wiederum sollen anhand der Future Skills in „hochemergenten Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme […] lösen und (erfolgreich) handlungsfähig“ (Ehlers 2020, 57) bleiben.
Future Skills als Kompetenzkonstrukt
Damit ist das Konzept der Future Skills ein Kompetenzkonstrukt, bestehend aus: Wissen, Handlungsfähigkeit, Handlungsdisposition und Handlungsbereitschaft.
Studierende praktisch auf eine ungewisse Zukunft vorbereiten
Die Konsequenzen, die sich aus der Forderung an Hochschulen und den Definitionen ergeben, sind, dass Bildungseinrichtungen ihre Studierenden auf eine unsichere Zukunft vorbereiten sollen. Studierende sollen die Ungewissheit erwarten und in die Lage versetzt werden, souverän im Handeln zu bleiben, indem sie sich u. a. immer wieder neues Wissen aneignen und sich selbst reflektieren – eigenständig und im Austausch mit anderen. Dazu müssen Lehrziele und -inhalte sowie die Art des Lernens weiterentwickelt werden. Gleichzeitig müssen Flexibilität und Handlungsfreiheit für Lehrende und Lernende gegeben sein. (vgl. Samochowiec 2020, S. 59)
Dabei spielen Leistungsfähigkeit, Wille, Mut, Reflexion und Üben in der Praxis eine zentrale Rolle. Denn einzelne Menschen können beispielsweise in der einen Situation abgeklärt reagieren, während sie in anderen Situationen, ausgestattet mit den gleichen Kompetenzen, straucheln.
Unten finden Sie Links zu Sammlungen von Future Skills, wie sie in Forschung und Praxis dargestellt werden. Es ist dabei wichtig zu wissen, dass die Bedeutung spezifischer Skills im Laufe der Zeit dynamisch ist.
Linksammlung zu Future Skills
Hier finden Sie Links zu einigen Sammlungen von Future Skills, wie sie in Forschung und Praxis dargestellt werden. Es ist dabei wichtig zu wissen, dass die Bedeutung spezifischer Skills im Laufe der Zeit dynamisch ist:
(wird in neuem Tab geöffnet) Future Skills – Zukunft der Hochschule und Zukunft des Lernens
(wird in neuem Tab geöffnet) Future Skills–Future Learning
Future Skills 2021: Die Skills im Überblick
(wird in neuem Tab geöffnet) Future of Jobs Report 2023
(wird in neuem Tab geöffnet) Future of Education and Skills 2030
(wird in neuem Tab geöffnet) Inner Development Goals
(wird in neuem Tab geöffnet) A scoping review of Future Skills frameworks
Kritik an Konzepten von Future Skills
Kritiker*innen des Konzepts der Future Skills, wie Kalz und Reinmann, sehen die Achillesferse des Konzepts darin, dass eine Priorisierung dieser Skills schwierig sei, weil ihre Bedeutung gesellschaftlichen Dynamiken unterliegt. Sie meinen, hinter dem Konzept verberge sich ein Aktionismus aus Altem Neues zu machen, und sie weisen darauf hin, dass es an Evidenz fehle (vgl. Kalz 2023, Reinmann 2023 & 2024).
Es könnte jedoch entgegnet werden, dass eine eindeutige Priorisierung einzelner Skills nicht unbedingt nötig ist, da Studierende viele der Skills zu einem gewissen Grad erwerben sollten.
Bessere Leistungen durch Growth Mindset
In Ergänzung dazu spielt ihr sogenanntes Mindset eine zentrale Rolle. Mit einem offenen Mindset ausgestattet, können sie Future Skills und den Pioniergeist bei ihren Studierenden fördern. Damit ist eine offene, neugierige und lernbegierige Haltung gemeint. Diese Haltung ermöglicht funktional mit neuen Herausforderungen (in der Zukunft) umzugehen, aus Erfahrungen zu lernen und Perspektiven zu wechseln.
In ihren Studien konnte Murphy zeigen, dass Studierende bessere Leistungen erbringen und motivierter sind als ihre Mitstudierenden, wenn ihre Dozent*innen ein sogenanntes Growth Mindset anstatt eines Fixed Mindset aufweisen. Dozent*innen mit einem Fixed Mindset glauben, dass Intelligenz und Fähigkeiten angeboren und daher unveränderlich sind m(vgl. Canning et al. 2019).
Das Growth Mindset fördert, dass Handlungsspielräume und Ressourcen erkannt werden und eine Anpassung an immer neue Gegebenheiten durch konstruktive Reflexion erleichtert wird. Lehrende prägen durch ihr eigenes Mindset die Lernkultur der Studierenden (vgl. Dweck 2017, Canning et al. 2019). Die Zuversicht, lern- und anpassungsfähig zu sein und die damit verbundenen Fähigkeiten können die Performance von Studierenden nachhaltig beeinflussen und den späteren beruflichen Erfolg ebnen – auch in einer unsicheren Zukunft.
Vorbild als Lehrender in der Hochschule sein
Für Sie als Lehrende bedeutet dies, als Vorbild zu agieren und sich selbst als Lernende verstehen und darstellen. Sie sollten eine innerlich offene Haltung für kritische Fragen und Gedanken von Studierenden entwickeln, auch wenn dies emotional manchmal herausfordert. Bei Studierenden sollte die Haltung gefördert werden, dass Fähigkeiten mit Übung und Einsatz entwickelt werden können:
- Etablieren Sie eine positive und konstruktive Fehlerkultur
- Ermutigen Sie ihre Studierenden Neues auszuprobieren
- Betonen Sie mehr ihre Stärken und ihren (Lern)Fortschritt
- Betrachten Sie neben dem Ergebnis auch den Prozess.
- Bieten Sie Raum für Austausch (Lehrende-Lernende und Lernende-Lernende), um gemeinsam Erfahrungen und Herausforderungen zu besprechen.
Das alles ermöglicht sich gegenseitig positiv zu beeinflussen und fördert die Selbstreflexion von Lehrenden und Lernenden. Auch die Vermittlung von Lernstrategien ist dabei zuträglich.
Richtig Feedback geben
Wie Sie Feedback geben und nehmen, erfahren Sie in unserem Leitfaden zum Download.
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Pioneer‘s Mindset und Pioneer‘s Skill-Set
Ein ähnliches Konzept spricht von einem Pioneer‘s Mindset und Pioneer‘s Skill-Set (Dolderer, 2015), um in der sogenannten VUCAT-Welt zurechtzukommen. Damit Studierende gut in der Arbeitswelt zurechtkommen, müssen Lehrende sich zum Ende der Studienzeit selbst überflüssig gemacht haben. Die Studierenden können eigenständig Wissen aufbauen und Probleme lösen. Dies geschieht, wenn Studierende die richtige Grund- bzw. Geisteshaltung mitbekommen haben: Die von Pionier*innen. Dazu sollen sie sich Neugierde, Empathie, Unternehmergeist und Selbstreflexion zu eigen machen und bereit sein, Fehler (bewusst-unbewusst) zu machen und aus diesen zu lernen (vgl. Dolderer 25.11.2020).
Was wirklich zählt – Gedanken zur Hochschullehre in der Krise
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Lernziele
Um Future Skills in der eigenen Lehre zu verankern und zu überprüfen, ist die Formulierung und das Verfolgen von entsprechenden ein entscheidender Bestandteil. Sie sollen so formuliert sein, dass Future Skills in der Lehre vermittelt, erprobt, optimiert, verinnerlicht und reflektiert werden können. So stellen sie einerseits einen Motivator für Studierende dar und andererseits dienen sie der Ausrichtung der gesamten Lernzielen . Gleichzeitig ermöglichen sie eine Überprüfung der Lernergebnisse und einen Vergleich des erreichten Kompetenzniveaus. Lehrende sollten diese Lernziele selbst immer wieder reflektieren: Gibt es neue Forschung oder gesellschaftliche Entwicklungen, die bedacht werden müssen? Lehrveranstaltungsplanung
Kompetenzorientiertes prüfen erworbener Future Skills
Zum kompetenzorientierten Prüfen erworbener Future Skills eignen sich nach Hartmann et al. (2023)
- Selbstreflexionsberichte und Fremdberichte (durch Kommiliton*innen, Lehrende)
- Präsentationen zu Projektprozessen und -ergebnissen
- Planspielen und Fallstudien geeignete Prüfungsformen
- Lerntagebücher, Portfolioprüfungen und mündliche Prüfungen (beispielsweise mit Rollenspielen) sind möglich
Aktivierende und szenariobasierte Lehr-/Lernformate
Lehr- und Lernformate, die Studierende zu aktiven Handelnden machen, eignen sich besonders gut, um Future Skills zu fördern. Dafür können konkret Quizze, Planspiele, mit realitätsnahen Szenarien und weitere Experimentierräume als Lehrformat gewählt werden. Das Charakteristische all dieser Formate ist das Erleben der erwartbaren (unsicheren und zum Teil überraschenden) Realität und die Interaktion der Studierenden untereinander. Damit können beispielsweise Kommunikations-, Kooperations- und Problemlösekompetenz gefördert werden. Aber auch Selbstwirksamkeit und Reflexionskompetenz können durch die Kollaboration mit Mitstudierenden gestärkt werden. fallbasiertes Lernen
Design Thinking
Als weitere kollaborative Methode kann der Ansatz des Design Thinking hilfreich sein. Dabei werden Problemstellungen aus Sicht von Nutzenden, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit agil gelöst. Im Hochschulkontext arbeiten Studierende interdisziplinär und auch international in kreativer Umgebung zusammen an komplexen Lösungsvorschlägen. Beispielsweise hilft die Methode „um das Teambuilding von Studierenden zu unterstützen oder deren Perspektive auf Forschungsfragen und Lösungen für Probleme zu erweitern“ (Planke, 2023).
Vor allem im direkten Austausch (digital oder vor Ort) können die hochemergenten Zusammenhänge dann in den Konzepten und Methoden erlernt werden. Voraussetzung für einen konstruktiven Austausch ist eine vertrauensvolle Beziehung von Lehrpersonal und Studierenden miteinander und untereinander. Zudem soll den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, auch eigene Themen einbringen zu können. Durch das selbständige Lösen von selbstgestellten Aufgaben ist ein hoher Lerneffekt zu erwarten. Dafür müssen Studierende zunächst reflektieren können, welche Aufgaben- und damit Problemstellungen für ihr Studienfach und damit gesellschaftlich relevant sind.
Diskussion und Kreativität
Zum einen Raum für Diskussionen von Studierenden und Zeitfenster für kreative Aktivitäten sind zentral für die Entwicklung von Future Skills. Eine offene Fehlerkultur ist dabei unabdingbar.
Zum anderen eignen sich auch an den Hochschulen dafür. Hier werden Studierende als fester Bestandteil der Lehre zunächst explizit dafür von geschultem Personal qualifiziert und dann in der Lehre in Tutorien oder in Studienprojekten eingesetzt. Während ihres Einsatzes werden sie von für sie zuständigen Begleiter*innen (wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, Professor*innen, Dozent*innen, Mitarbeiter*innen Tutorielle Lehre) unterstützt. Tutor*innenprogramme
In der Umsetzung im Tutorium erleben sie die direkte Wirkung der Future Skills im Austausch mit Studierenden(-gruppen) – sprich ihren Kommiliton*innen. Zum Beispiel erfahren sie als Fachtutor*innen bei der Erklärung von Aufgaben und Lösungen, wie sich ihre Kommunikationskompetenz bei diversen Teilnehmenden darstellt und können sie im Laufe ihrer Tätigkeit stetig ausbauen. Sie erweitern auch ihre Selbstwirksamkeit und Selbstreflexionskompetenz, indem sie ihre Wirkung als Lehrkraft beobachten. Dafür ist es erforderlich, dass sie in den Austausch mit ihren Teilnehmenden, Fachbetreuenden und anderen studentischen Tutor*innen treten.
Verzahnung von Future Skills und Fachwissen
Hochschulen sollen Plattformen für lebenslanges Lernen sein und neue Lernumgebungen und Innovationsräume schaffen, und damit Räume für selbstbestimmte, praxisnahe Erfahrungen anbieten. Future Skills sollen daher flächendeckend und systematisch in allen Studiengängen der Hochschulen verankert werden. Diese Forderungen sind auch das Ergebnis einer Studie von Horstmann (2023). Dabei betont Horstmann, dass Fachwissen seinen Wert behält und sich mit Future Skills ergänzt und Hand in Hand gehen soll.
Die Förderung von Future Skills ist nicht nur eine Investition in die Zukunft unserer Studierenden, sondern auch in die Zukunft der Gesellschaft. Indem wir sie dazu ermutigen, kritisch zu denken, kreativ zu sein und zusammenzuarbeiten, tragen wir dazu bei, eine Generation von verantwortungsbewussten und innovativen Menschen heranzubilden, die die Welt nachhaltig positiv verändern können.