Schwierige Situationen und Lösungsstrategien

Herausforderungen in der Moderation von Hochschullehre meistern

Im Folgenden werden klassische Probleme und Herausforderungen die Moderationen, Lehrgespräche und Diskussionen mit sich bringen können, kurz dar- und mögliche Lösungsstrategien vorgestellt.

Reagieren Sie situativ

Wichtig zu beachten ist, dass Sie als Lehrende situativ entscheiden müssen, welche Strategie zu ihnen, zur Gruppe, zum Thema und zum Gesamtkontext passt. Denn jede Strategie kann Nebenwirkungen und Effekte haben, die einkalkuliert werden sollten (vgl. Schumacher 2011).

Sieben Herausforderungen und ihre Lösungen

Immer häufiger erwähnen Lehrende, dass Lernende im Hörsaal nach Themen oder Antworten recherchieren bzw. googeln und dies einbringen.

Es gibt das schöne Zitat „Das Gehirn lernt immer, nur nicht immer das, was wir wollen.“ Wenn Lernende parallel im Netz recherchieren, ist das für manche Lehrende ein Angriff und andere sehen dies als Chance, ins Gespräch zu kommen. Die Nutzung von Smartphone und Co in der Lehre ist ein großes Thema und viele Lehrende stellen inzwischen fest: Es ist eine Realität, die didaktisch einbezogen werden sollte. Wenn also das Recherchieren in das Lehrkonzept eingebaut wird, kann so vorab über wissenschaftliche bzw. seriöse Quellen gesprochen werden.

Manchmal hat es auch den Anschein, als brächte es manchen Studierenden Freude, wenn sie Querverweise einstreuen können, nur um zu sehen, wie mit diesem „Ball, der ins Feld geworfen wurde“, umgegangen wird. Thematisch ist es gut, wenn sich Lehrende mit diesen Quellen/Konzepten auskennen und sie für den weiteren Vortrag utilisieren, also nutzen, können. Wenn dies nicht möglich ist, gibt es verschiedene Moderationsstrategien, damit umzugehen: Die Frage wird in die Gruppe gegeben und diese soll dazu Stellung nehmen, oder der Beitrag oder die Frage wird auf einen Themenspeicher geschrieben und damit „vertagt“. So gewinnt man Zeit, um zu entscheiden, wie damit umgegangen wird. Eine brauchbare Formulierung wäre „Dies ist ein Bereich, der hier aus zeitlichen Gründen nicht thematisiert wird, den sie aber gerne im Selbststudium weiter recherchieren können.“ Um sich selbst Zeit für Recherche zu verschaffen, könnte alternativ die folgende Formulierung verwendet werden: „Ich werde in der nächsten Sitzung darauf zurückkommen.“ Gerade Studierende, die mit Vergnügen „co-moderieren“ können eingebaut werden, indem ihnen immer wieder Rechercheaufgaben gegeben werden.

Wichtig ist hier, die professionelle Moderationsrolle aufrecht zu erhalten und Beiträge oder Eigen-Arten für die Lernzielerreichung bestenfalls zu nutzen.

Gerade bei Lehrgesprächen, in denen direkte Fragen gestellt werden, kommt es vor, dass Beiträge explizit falsch sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn es etwa um reines Faktenwissen geht.

Manche Lehrende nutzen die Moderationsstrategie nach einer Frage zunächst mehrere Antworten und Beiträge einzusammeln, um dann im Lehrgespräch die Antworten abzuwägen und das „richtig bzw. falsch“ gemeinsam zu erarbeiten.

Es besteht auch die Möglichkeit, den Beitrag direkt als falsch rückzumelden. Dies sollte in der Sache klar und auf der Beziehungsebene wertschätzend geschehen. Gerade die neutrale Moderationsrolle kann hier helfen, auch nonverbal (körpersprachlich) oder paraverbal (stimmlich) Wertungen außen vor zu lassen. Die Paraphase einer falschen Aussage kann genutzt werden, um zum Weiterdenken anzuregen: „Sie sprechen gerade aus dem Bereich x, denken sie mal noch mehr Richtung z…“

Hier wird nochmal der Unterschied zwischen gelenktem und sokratischem Unterrichtsgespräch deutlich. Bei dem einen soll ein bestimmter Punkt herausgearbeitet werden und es wird auch nur diese eine Antwort zugelassen, um möglichst bald wieder in den Lehrvortrag einsteigen zu können. Beim sokratischen Lehrgespräch werden die Beiträge der Lernenden genutzt, um das Ziel und den Weg zum Ziel durch Fragen: „Wenn das tatsächlich die Antwort ist, welche Konsequenzen hätte das dann für…“ zu erarbeiten. Die Lernenden sollen selbst auf den Punkt kommen – und das braucht Zeit!

Wichtig ist bei einer direkten Ansprache zu beachten, dass dies beschämend wirken kann, wenn die angesprochene Person in dem Moment nicht auf die konkrete Frage antworten kann.

Wichtig scheint dafür zu sein, zu Beginn des Semesters einen Bezugsrahmen aufzubauen, der dies zunächst thematisiert: „Ich spreche sie alle an. Und wenn sie es nicht wissen, erarbeiten wir es gemeinsam mit den anderen.“ Ansonsten erwarten Lernende beim „Vorlesungsbesuch“ wohl eher in Ruhe gelassen zu werden als etwa beim Besuch von Seminaren, wo Diskussionen häufig ein erklärtes Lernziel sind. Ob sich Lernende im Hörsaal aktiv beteiligen, hängt viel von der Person des/der Lehrenden ab. Offenheit, Zugewandtheit, Humor und vor allem die Fähigkeit, alle Beiträge so aufzugreifen, dass sie für das Thema und Lernziel nützlich sind, sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren.

Nach einem Impuls durch die Lehrenden herrscht zunächst Schweigen und man fragt sich möglicherweise: Können die Lernenden nicht oder wollen sie nicht?

Im Plenum zu sprechen kann für manche Lernende eine Herausforderung sein, weshalb manche Lehrende „Brücken“ bauen, um durch methodische Zwischenschritte die Beteiligung und Aktivierung im Plenum anzuregen. Das heißt, nach einem Aufmerksamkeitswecker und der damit verbundenen Fragestellung werden Methoden wie „think, pair, share“, Murmelgruppen oder Abfragen durchgeführt und dann bewusst viele oder auch eher Stillaktive angesprochen.

Man sollte aber vor allem berücksichtigen, dass Lernende Zeit brauchen die Fragestellung zu durchdringen, zu beantworten und sie dann noch entscheiden müssen, ob sie sich äußern wollen und ob sie sich dies zutrauen. Deshalb gibt es die Empfehlung zunächst auf 30 zu zählen und vor allem keine neuen oder weiterführenden Fragen in den Raum zu stellen. Das führt eher zu mehr Verwirrung.

Lernende die eher „sprechdenkend“ lernen und kommunikativ sind, sind hier häufig aktiver und schneller, weshalb Lehrende manchmal froh sind, dass es so zu Beteiligung kommt. Gleichzeitig kann es gerade in Diskussionen ein Lernziel sein, dass sich möglichst viele beteiligen. Für manche sind dann die Diskussionsrunden ein Ort, wo sie sich besser einbringen können.

Manche Lernende haben auch Hemmungen, da sie nicht wissen, ob ihr Beitrag dem wissenschaftlichen Niveau standhält. Hier laden Lehrende gerade in den ersten Semestern manchmal zu einer Art Blitzlicht, manchmal auch umgangssprachlich „Rotzrunde“ genannt, ein: Man darf zunächst sagen, wie es einem mit dem Text ging, was aufgefallen ist oder als Frage zurückblieb. Lehrende als Bezügeherstellende Moderator*innen transformieren dann die Beiträge in die Richtung, die einem wissenschaftlichen Diskurs entspricht. Lernende trauen sich so eher, sich zu beteiligen, da sie eine offene, einladende und wertschätzende Haltung erleben. Auf diese Weise kann das Beteiligungs- und Diskussionsklima beeinflusst werden.

Wenn sich immer dieselben melden, kann dies dazu führen, dass diese irgendwann auch keine Lust mehr haben, sich zu beteiligen – außer dem Diskurs mit dem Lehrenden als Experten ist sehr interessant. Möglicherweise aber nicht für die anderen. Von daher kann hier die Moderationsstrategie helfen: Ein Student meldet sich wieder. Moderation: „Hier sehe ich eine Meldung,… ich möchte gerne auch noch andere Beiträge einholen…“

Wenn Studierende im Selbststudium vorab Texte lesen und Fragen beantworten sollen oder wenn in der Veranstaltung Vorträge bzw. Präsentationen gehalten werden, die dann in eine Diskussion münden.

Viele Lehrende berichten, dass selten wirklich alle Studierenden den Text gelesen haben, was angesichts der Menge an Lektüre die im Studienverlauf gefordert wird, wohl auch verständlich ist. Deshalb gilt es auch hier bei der Planung von Lehrveranstaltungen und Sitzungen „präventiv“ zu planen und dabei zuerst zu klären, was die Lernziele und welches realistische Leseziele sind. Darüber hinaus sollte vereinbart werden, welcher „Plan B“ zum Zuge kommen kann, wenn etwas nicht funktioniert.

Was kann man tun, wenn offenbar niemand gelesen hat? Die Diskussion auf einem niedrigeren Niveau ansetzen? Selbst Inhalte liefern – und danach ansprechen, was sich zum nächsten Mal ändern muss? Oder den Text mit allen lesen oder lesen lassen, bevor es im Plenum dann in die Diskussion geht? Gerade auch bei der Planung von Textarbeit gilt es die Zielgruppe und ihre Vorkenntnisse zu beachten. Viele Lehrende berichten, dass Diskussionen gehaltvoller werden, wenn etwa Textpatenschaften vergeben werden. In diesem Fall werden die Teilnehmer aufgefordert Fragen für andere Studierende zu formulieren oder Fragen vorab zu beantworten und einzureichen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn mit Studierenden Lesestrategien erprobt werden, die sie befähigen, sich auch komplexe Texte zu erschließen.

Manchmal gibt es in Seminaren aufgeheizte Diskussionen, da Meinungen oder persönliche Betroffenheit das Thema stark beeinflussen.

Hier gilt es zu beobachten und zu entscheiden, ob und wann eingegriffen werden sollte. Solange die Diskussionskultur noch „oberhalb“ der Gürtellinie stattfindet, können solche starken Auseinandersetzungen Wertvolles erreichen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn am Ende die Lernenden nach Ihren Einsichten und Erkenntnissen befragt werden.

Ansonsten kann es sinnvoll sein, eine Unterbrechung in Form einer Pause oder eines Methodenwechsels einzubringen, um die „Gemüter zu kühlen“. Darüber hinaus kann ein didaktisch herbeigeführter Perspektivwechsel helfen, die Gegenposition zu verstehen. Wenn die Stimmung von Sitzung zu Sitzung immer mehr eskaliert, sollte die Gesamtsituation thematisiert werden, um einen neuen Fokus der fachlichen Auseinandersetzungen zu vereinbaren. In der Moderation ist wichtig auf diese Vereinbarung immer dann zu verweisen, wenn sich die Diskussion erneut aufheizt.

Das Thema scheint für die Lernenden uninteressant zu sein.

Zunächst kann festgestellt werden, dass es wohl normal ist, dass nicht jedes Thema für alle Lernenden als relevant eingeschätzt wird. Und gerade durch den Bolognaprozess, der teilweise eine gewisse Creditorientierung hervorgerufen hat, hat manchmal das interessanteste didaktische Konzept oder der spannendste Aufmerksamkeitswecker keine Chance gegen die Prioritäten, die Studienstrukturen oder persönliche Interessen der Lernenden haben.

Sicherlich kann man sich aber Gedanken darüber machen, wie ein Thema für Studierende interessant werden kann. Dazu gibt es die sogenannten „Aufmerksamkeitswecker“, die einen Lebenswelt- oder Berufsweltbezug herstellen oder z. B. mit einer Provokation, einem aktuellen Sachverhalt, einer widersprüchlichen Aussage, einer These einen Bezug zum Thema herstellen. Auf diese Weise kann es gelingen emotional oder kognitiv „aufzuwecken.“ Ziel ist es, Betroffenheit zu erzeugen oder Neugierde zu wecken, um dann „engagiert“ ins Lehrgespräch oder die Diskussion einsteigen zu können. Aufmerksamkeitswecker können die ganze Bandbreite von wissenschaftlichen Thesen bis hin zu aktuellen Filmausschnitten beinhalten, um das Thema näher zu bringen. Sie knüpfen an der Erfahrungswelt der Lernenden an und führen dann durch eine Fragestellung zum eigentlichen Lernziel.

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